Stuttgart 21 Tatort: Warum OB Fritz Kuhn so laut bellt

Floyd 2 Kommentare Der letzte Fake

Ach herrje, da wird ein mediales Geraune um den sonntäglichen Tatort gemacht. Stuttgart 21. Korruption. Politik. Wilde Handlungsstränge. Verdeckte politische Parteien, die Insidern bekannt vorkommen. Wer wie ich im Tiefbahnhofsgebiet wohnt, der kennt das eben alles. Hier ist das Thema ständig in irgendwelchen Medien. Was es allerdings noch nie gab: Einen Oberbürgermeister, der sich genötigt sah, eine Pressemeldung zu einem Tatort herauszugeben. Wie krank ist das denn? Hallo, das ist TV, ein Krimi, die Schauspieler handeln nach einem Drehbuch. Wie ein betroffener Hund bellt Fritz Kuhn auf der Internetseite der Stadt Stuttgart umher:

Man darf die Fiktion des Krimis nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Aber der Film hinterlässt bei vielen Zuschauern den Eindruck, dass finanzstarke und korrupte Investoren in Stuttgart den Immobilienmarkt bestimmen. Das stimmt so nicht.

Politisch hilft das Kuhn nicht soooo wahnsinnig viel. Ich fahre jeden Tag an diesen verkackten Hochbauten vorbei. Banken, Einkaufsmalls und andere witzige Hochbauten mit witzigen Namen wie „Cloud 7“. Penthäuser inmitten der Stadt. Aber hey, verrate niemandem, dass wir seit 3 Jahren eine bezahlbare 4 Zimmer Wohnung suchen.

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Foto: Bündnis90/Die Grünen Baden-Württemberg / CC BY-SA 2.0 – Bild bearbeitet und Text eingefügt

Die Flächen bekommen also die Investoren mit dem besten Konzept? Schau mal nach, was die Walser Immobilien zu den Wohnungen am Mailänder Platz schreiben: Lebendiges Wohnquartier mitten in der Stadt. Yeah. Warmmiete: 2.222,- Euro. Dafür laut Walser Immobilien eben ein „lebendiges Wohnquartier“, was für ein Wohnquartier ein ganz hervorragendes Alleinstellungsmerkmal ist.

Im Europaviertel grüßt die Wolke Nummer 7. Unten das Steigenberger Hotel mit 170 Zimmern und darüber die Business-Appartements und 19 Eigentumswohnungen. Der Clou: in punkto Service übernimmt hier das Steigenberger, was bedeutet: Du parkst deinen SUV in der Tiefgarage, lässt dich nach oben in den 19 Stock karren, legst dich ins Bett, bestellst beim Service eine Massage und Schweinshaxe und geniesst den Blick nach unten. Dort siehst du die kleinen Arbeiterameisen, wie sie für wenig Geld ohne bezahlbaren Wohnraum in der Stadt hin und herwuseln, um dir deinen Rachen immer weiter zu füllen. Umherwuseln, dass du immer weiter oben wohnen kannst. 18. Stock, 19. Stock, 25. Stock… 121. Stock. So erklärt sich auch der Name: Cloud 7.

Lieber Fritz Kuhn, wenn du das liest, könntest du denken, ich sei ein frustrierter Mensch, der total unzufrieden ist. Voller Sozialneid. Dabei will ich nur die Möglichkeit haben, friedlich in Stuttgart wohnen zu können. Bezahlbar. Und: Vielleicht sind es all die Vorgänge der letzten Jahre, die mir nicht das Gefühl geben, dass auf den freien Gleisflächen etwas Tolles entstehen könnte. Ernsthaft: Ich möchte gar nicht im verdreckten Kessel der Innenstadt wohnen, dort überleben nur die Jüngeren, also die unter 30 oder so. Und die werden für das Messen der Feinstaubwerte eingesetzt, bis sie nach und nach aus dem Kessel rausziehen müssen. Krankheitsbedingt.

Mir würde es schon genügen, wenn ich bezahlbaren Wohnraum außerhalb des Kessels finden könnte, wo ich morgens nicht 2 Stunden zur Arbeit unterwegs bin. Mein Gefühl sagt mir: Wir haben noch 2 Jahre, dann zwingt uns die Wohnraumsituation aus dem Vorort Stuttgarts, in dem wir momentan wohnen, raus zu ziehen. Und mit raus meine ich „raus“. Ohne S-Bahn Anschluss.

Herzliche Grüße, ein seit 3 Jahren suchender, friedlicher Nichtraucher, der ohne Haustiere, aber dafür mit Familie (2 Kinder) lebt.