Die Datenspeicherung auf Vorrat – oder was habe ich heute eigentlich gemacht?

Floyd 5 Kommentare Der letzte Fake

Jawoll, ein anständiger deutscher Bürger bin ich. Habe in meiner kleinen Welt mein Glück gefunden, dessen Wurzeln in Freiheit, Unabhängigkeit und Liebe zu finden sind. Der Wecker klingelt, Nachrichten: „12 km Stau auf der A81, 20 km Stau wegen eines Polizeieinsatzes auf der B27, …“ Ich wache langsam auf, in meinem rechten Bein kribbelt es komisch. Wird schon vorbei gehen, denke ich bei mir, und mache mich auf in den Tag.

Frühstück: der erste schöne Moment des Tages. Kühlschrank auf, leer. Schnell in die Klamotten, kurz zum Bäcker. Kein Geld dabei. Aber der Automat an der Ecke hat ja welches. Geheimzahl eingeben, fertig. Zurück zum Bäcker. Nach meiner immer wiederkehrenden Bestellung fragt mich die Verkäuferin, ob ich einen Kassenzettel benötige. „Nein“, höre ich mich sagen und verabschiede mich freundlich. Zu Hause angekommen musste ich feststellen, dass ich den Schlüssel in der Wohnung vergessen habe. Das bringt mich nicht aus der Ruhe. Mit dem Handy rufe ich den Schlüsseldienst, der schon 5 Minuten später ankommt. Ein trickreicher Typ macht zwei schnelle Bewegungen und die Tür ist auf.

Endlich. Frühstück. Das Display am Kühlschrank sagt mir, dass ich bald wieder Milch besorgen muss. Gut, mache ich heute abend. Aber jetzt bringen mich Kaffee und Brötchen in gute Laune, kurz darauf in eine Art Dämmerzustand. Wahrscheinlich liegt es am vollen Magen. Ich bin am Verdauen. Jetzt aber keine Ausrede, ab ins Bad und waschen für den Tag.

„Schlüssel nicht vergessen“, schiesst es mir in meine Gedankengänge. Rucksack aufsetzen, Türe zu und schnell zur U-Bahn ein 4-er Ticket lösen. 2 Minuten später sitze ich zwischen vielen anderen Menschen und warte auf die Endstation. Ein kleines Mädchen, vielleicht so um die 4 Jahre alt, schenkt mir vor dem Aussteigen ein Bonbon. Hat es ihr nicht geschmeckt? Artig bedanke ich mich und winke ihr noch zu. Bonbon aufmachen, weg damit. Ich glaube das war eines der leckersten Bonbons, die ich je gegessen habe, mit einer Füllung, dass es jedem Gourmet schlicht die Sprache verschlagen würde. Das Innenleben schmeckte wie eine harte Nuss.

„Endstation, aussteigen bitte!“, hallt es mir von oben entgegen und auch ich stehe auf und gehe. 20 Minuten Fußweg liegen vor mir. Nach der Hälfte mache ich immer eine kleine Pause, weil da ein riesengrosser Baum steht, den ich immer bewundere. Fasziniert laufe ich weiter und komme an. Ja, auch ich arbeite.Mittags bestelle ich mir etwas zu Essen. Immer Pizza, heute ist mir jedoch nach etwas Gesundem. Spinat. Das ist gut. Mit vollem Magen gehen ich wieder an die Arbeit. Ständig bekomme ich E-Mails von Freunden, die mir entweder etwas Lusitges, oder aber etwas Erschreckendes berichten. Ich folge den Links. Diverse E-Mails und Artikel später ist es 18.30 Uhr. Jetzt aber schnell die sieben Sachen packen und nach Hause. Gleicher Weg wie am Morgen. Natürlich wieder mit Pause.

Endstation erreicht. Noch ein paar Minuten und dann endlich entspannen. Nur noch ein paar Schritte und ich bin da. Neben mir im Gebüsch vernehme ich seltsame Geräusche. Noch nie vorher habe ich Büsche wachsen hören. Auch dass sich einige dieser Büsche bewegen können überschreitet meinen Horizont. Ich laufe weiter, ignorant wie ich bin. Als ich die Gartentür aufschliesse geht alles ganz schnell. Ich bin umstellt. Alles sieht auf mich. Der Scheinwerfer eines Helikopters erleuchtet den Hof. Erst jetzt erkenne ich, dass um mich herum die Pistolenmündungen versuchen meine empfindlichsten Stellen zu fixieren. „Herr X?“, kommt ein Mann mit grauem Mantel hinter der Hausecke hervor. Jawoll, das bin ich. „Wir müssen Sie mitnehmen, jeder Widerstand ist zwecklos! Machen Sie es uns so einfach wie möglich und Ihnen wird nichts passieren!“ Mir wird nichts passieren? Sind die bekloppt? Mir ist doch schon längst etwas passiert, schliesslich habe ich nicht jeden Abend eine Hundertschaft Polizisten vor der Türe. „Wie meinen Sie das, mir wird nichts passieren?“, schielte ich den Graumantel an. „Das können wir alles auf dem Präsidium klären Herr X“. Wie ein Schwerverbrecher werde ich abtransportiert. Ich drehe mich kurz um, sehe meine Frau mit Tränen in den Augen. Dann wird es still.

Anklage:
Wir haben Sie überwachen lassen. Heute morgen haben Sie am Geldautomat eine beträchtliche Summe Bargeld abgehoben, danach sind sie zum Bäcker. Zu Hause haben Sie einen Schlüsseldienst angegrufen, der Ihre Tür öffnen musste. Dabei haben Sie den Mann verdächtig oft nach seiner Vorgehensweise gefragt. Als Sie das Haus verliessen, trugen Sie einen grünen Rucksack von beachtlicher Grösse bei sich. Sie fuhren mit der U-Bahn bis zur Endstation. Ihr normaler Weg von der Endstation zu Ihrer Arbeit beträgt 20 Minuten. Sie brauchten aber 35 Minuten! Und kommen Sie jetzt nicht mit faulen Ausreden. 15 Minuten lang rührten Sie sich nicht vom Fleck. Was ist in dieser Zeit passiert? Während der Arbeit haben Sie im Internet Ihre Spuren hinterlassen. Wir können Ihnen genau sagen, wo Sie sich wann aufgehalten haben, lügen ist zwecklos. Auf dem Heimweg das gleiche Spiel. Nehmen Sie uns nicht aufs Korn. 15 Minuten länger als normal.

„Sie wollen wissen was passiert ist? Sie wollen wirklich wissen, was passiert ist?“, frage ich den Herren im grauen Mantel, den er inzwischen ausgezogen hatte. „Wenn ich Ihnen das erzähle, Sie glauben mir kein Wort!“ „Los, erzählen Sie, wir haben nicht ewig Zeit“, raunt mich der Typ an. „So nicht, Herr Wachtmeister, nicht in diesem Ton und nicht mit mir! Ich habe heute morgen 200,- € abgehoben. In kleinen Scheinen. Versteht sich. Danach 20 Brötchen besorgt. Den Mann vom Schlüsseldienst habe ich nicht nur ausgefragt, sondern ihm auch eines seiner Spezialwerkzeuge abgekauft. Zu Hause habe ich mit seinem Spezialwerkzeug die Brötchen unauffällig ausgehöhlt, und in jedes einen zusammengerollten 10,- € Schein hineingeschoben. Danach habe ich die Brötchen wieder verschlossen. Alle 20 wurden dann fachgerecht in einem grünen Rucksack deponiert, mit dem ich das Haus verliess. Ich stieg in die U-Bahn und fuhr bis zur Endstation. Nach ca. 10 Minuten Fußweg kommt da ein wunderschöner Baum. Dort habe ich den Rucksack vergraben, lief anschliessend weiter zur Arbeit. Abends lief ich den gleichen Weg wieder zurück und kontrollierte, ob der Rucksack noch da ist. War er. Nichts hinderte mich daran in die U-Bahn zu steigen und nach Hause zu fahren. Hier bin ich nun.

„Und was sollte diese Aktion?“ „Entschuldigung Herr Wachtmeister, was geht Sie denn das an? Aber wenn Sie es unbedingt wissen müssen, die Kinder im Kindergarten spielen heute Schnitzeljagd und als Belohnung bekommt jeder 10,- €. Das Brötchen ist um den Hunger zu stillen. Was ist daran falsch?“ „Bitte verstehen Sie uns nicht falsch, aber wir bekamen einen anonymen Hinweis auf Ihre Person. Wir begannen auf Verdacht zu ermitteln. Ihr Telefon wurde abgehört, Ihre Kontobewegungen notiert, ihre E-mails zurückverfolgt. Wir haben uns wirklich sehr bemüht. Sogar einen Bundestrojaner haben wir auf Ihrem Computer installiert, ohne ihr Wissen. Alles deutete darauf hin, dass Sie einen Anschlag planen. Das viele Geld, der grosse, prall gefüllte Rucksack, den Sie dann auf dem Weg vergraben haben…Leider haben nun auch die Kinder keine Überraschung mehr, da unsere Spezialeinheit den Rucksack vor 10 Minuten sichergestellt hat.“

Sichergestellte gefährliche Brötchen:

Anmerkung zum Bild: dieses wurde aufgrund grösserer Verdachtsmomente entfernt und durch dieses ersetzt.

Na klar, antworte ich, meine Lieblingsbeschäftigung ist mit gefüllten Brötchen einen Baum in die Luft zu jagen, um abends mit dem Mittagsspinat die Spuren zu verwischen. Was seid ihr denn für ein Verein? Wo sind denn meine Grundrechte geblieben? Demokratie ist mehr als 20 gefüllte Brötchen sicherzustellen meine Herren. Zur Demokratie braucht es Mut! Auf Wiedersehen!

Stoppt die Vorratsdatenspeicherung!

Links zum Thema:
Aktion „Stoppt die Vorratsdatenspeicherung“

5 Meinungen zu “Die Datenspeicherung auf Vorrat – oder was habe ich heute eigentlich gemacht?

  1. Wirkt auf den ersten Blick übertrieben… liegt aber näher als man denkt.

    Aber gut, wenn man einen Riesenapparat baut, eine tolle Überwachnungsmaschine, dann ist es ganz normal, dass manchen unter die Räder geraten. Wo gehobelt wird, da fallen die Spähne.

    Und die Geschichte hat ja oft gezeigt, dass man grade diese Apparate mit bisschen Wissen schön umgehen kann. Wer es nicht kann sind normale Menschen, die bloß ihre Meinung kund tun wollen.

    Daher ist dieser Text keine Ficktion, sondern nur vorgezogene Zukunft. ;)

  2. Pingback: mikrowelt » Vorratsdatenspeicherung
  3. quoted:
    Danke für die Story. Bei aller gefühlter Überzeichnung, aber im Prinzip kann es genau so kommen. Grmbl.

    haha ^^

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