Auf der anderen Seite (2): Der Stuttgart 21 Befürworter

Floyd 2 Kommentare Der letzte Fake
[Satire] Nachdem ich letzte Woche in der Artikelserie „Auf der anderen Seite“ die Rolle eines Call Center Agenten eingenommen habe und einen unschlagbaren Fall lösen konnte, schlüpfe ich heute, ach obwohl, lieber doch nicht… Mit Stuttgart 21 macht man doch keine Witze. Ich schon, denn wie fühlt es sich wohl an auf der Befürworterseite des Projektes zu stehen? Mal sehen.

Bevor du das liest, solltest du den satirischen Hintergrund der Serie nicht aus den Augen verlieren. Alle folgenden Aussagen sind frei erfunden und entbehren jeglicher Grundlage. Nichts fand jemals so statt, hätte aber passieren können.

[Satiremodus on]

Bevor ich mich in meinen Worten verliere ist er schon wieder da, der Herr Karauski, Karl Karauski. Schreibt mich dieser Troll doch tatsächlich frech und dreist mit folgendem Tweet an:

Floyd, willst du wirklich reich werden? Dann mach beim Astroturfing mit. Schreibe für Stuttgart 21 und verdiene viel Geld. MfG Karauski

Hä, was, wie bitte? Ich verstand kein Wort. Was zur Hölle ist Astroturfing? Hört sich an wie Springschwänze, Mikroben, der universelle Misthaufen. Nach kurzer Überlegung schrieb ich zurück:

Lass mich mit deinem Quatsch in Ruhe. Keine Ahnung was du von mir möchtest. Mir ist das Geld egal, kauf dir andere Leute für dein Vorhaben ein. RTFM Floyd

Abends wollte ich wie immer nach Hause. Es war ein Donnerstag. Auf dem Weg zur U-Bahn sprang hinter mir jemand aus dem Gebüsch, drückte mir die Hand auf den Mund und sagte ich solle still sein. Hey Karauski, du Volltrottel, lass mich los, sagte ich zu ihm. (was gar nicht so einfach war mit einer zudrückenden Hand vor dem Mund). Die Hand verzog sich aus meinem Gesicht, ich drehte mich um und da stand es, das Häufchen Elend.

Mit Tränen in den Augen berichtete er mir, dass in einer Stunde eine Demo für Stuttgart 21 auf dem Rathausplatz stattfindet. Er solle eine Rede halten, habe aber mächtig die Hosen voll. Ausserdem seien alle seine Freunde gegen das Projekt. Und weil er keine Lust auf eine Blamage habe, solle ich seine Rede halten. In der U-Bahn wechselten wir noch schnell die Klamotten. Karauski schleicht sich an der Haltestelle „Charlottenplatz“ aus der Bahn und die ganze Verantwortung bleibt an mir hängen. Schöner Mist. Ich steige am „Schlossplatz“ aus und laufe die paar Meter zum Rathausplatz. Alleine der Weg dahin gleicht einem Spießrutenlauf. Menschen lächeln mich mitleidig an. Kein Wunder, in seinem Baustellenoutfit schaue ich richtig erbärmlich aus. Die Kinderschaufel in der Hand schwingend studiere ich seine Rede.

Kurz vor dem Auftritt

Abgehetzt und leicht blau vor Atemnot erreiche ich den Rathausplatz Stuttgart. Ich lasse noch einmal die Highlights der bisherigen Pro Stuttgart 21 Reden vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Mir kommen Ivo Gönners Rede vor seinen bezahlten und selbst mitgebrachten Demonstranten und Berufspfaffe Bräuchles Vertreibungsrede in den Sinn. Wieso erhielten die so viel Beifall? Doch den Gedanken kann ich nicht zu Ende führen, denn von der Bühne schallt es schon in lauten Worten: Willkommen an unseren langen Weggefährten und Projektunterstützer Karl Karauski! Karauski, das bin doch ich. Mein Stichwort. Ich laufe hoch auf das Podium. Bräuchle sieht mich leicht verwundert an. Die Antwort verkünde ich jedoch per Mikrofon vor einer kochenden Menge von 5.000.000 Demonstranten.

Meine Rede beginnt

Und ich ganz laut: Guten Abend liebe Befürworter und Befürworterinnen, willkomen liebe Kinder, die ihr noch wach seid. Leider muss ich Ihnen sagen, dass der Herr Karauski wirklich ein Drückeberger vor dem Herrn ist. Aus Rücksicht auf seinen Freundeskreis möchte er heute abend nicht zu Ihnen sprechen.

Das Publikum dann: Pfui. Weg der Sack, weg der Sack. Karauski hat die Hosen voll, wir finden den Tiefbahnhof trotzdem toll! Karauski hat die Hosen voll, wir finden den Tiefbahnhof trotzdem toll! Weg. Weg. Weg.

Und ich ganz laut: Beruhigen Sie sich meine Damen und Herren, in tiefstem Herzen weiss ich, dass Herr Karauski ein absolut loyaler, kollegialer S21 Befürworter ist. Ich soll Ihnen schöne Grüße ausrichten. Und bitte hören Sie genau zu, was Ihnen Herr Karauski heute abend sagen wollte. Ich darf in seinem Namen seine Rede halten. Ich freue mich und sage Ihnen: Baden-Württemberg wird eine blühende Landschaft! Mein Name ist Floyd Celluloyd und ich bin seit Beginn des Projektes für dessen Umsetzung. Lassen wir uns die Freude auf das, was uns die Deutsche Bahn und das Land schenkt nicht vermiesen. Wir sind Baden-Württemberg, wir sind Stuttgart! Das lassen wir uns von ein paar alternden Berufspessimisten nicht versauen. Wir lassen uns nicht verarschen. Bitte entschuldigen Sie meine Fäkalsprache, ich wollte mich nur kurz auf das Niveau der Stuttgart 21 Gegner begeben, um für besseres Verständnis zu werben.

Das Publikum dann: Bullshit! Bullshit! Bullshit! Weiterbauen! Weiterbauen! Weiterbauen! Gegnern auf die Mütze hauen! Ob Schlagstock, Wasserwerfer, uns egal, die richtige Wirkung hat es allemal!

Und ich ganz laut: Bullshit! Bullshit! Damit treffen sie den Nagel auf den Kopf meine Damen und Herren. Unsere Polizei hat wirklich wichtigere Themen, als einen Park mit Stuttgart 21 Obdachlosen zu bewachen. Die Hauptaufgabe unserer Polizei ist es nicht kilometerlange Demonstrationen zu sichern, die wir gar nicht wollen! Demonstrationen mit Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Am Abgrund ihres Seins. Wer kann denn jederzeit demonstrieren gehen? Genau, Sie ahnen es, Arbeitslose, Menschen ohne Perspektive. Und wir wissen es: Menschen am Abgrund haben nichts mehr zu verlieren! Wir aber schon!

Das Publikum so: Raus das Pack! Raus das Pack! Wer keine Kehrwoche macht kriegt auf den Sack! Raus das Pack! Fuck Fuck Fuck!

Und ich ganz laut: Fucking! Fuck! Sack! Pack! Was soll ich hier eigentlich reden? Jeder von Ihnen sollte hier auf dieser Bühne stehen und genau diese Worte rufen. Ganz Stuttgart, ganz Baden-Württemberg soll es hören. Kommen Sie! Fünf Freiwillige auf die Bühne bitte! Wir rufen es über die Dächer der Stadt! Kommen Sie, Freiwillige vor!

Über eine Treppe werden die Freiwilligen auf die Bühne geleitet. Ein fünfköpfiger Familienverbund kommt mir entgegen. Vater Jaspa, Mutter Indrette, zwei Kinder namens Tomson, 13 Jahre alt und Istrauna, 7 Jahre und natürlich der Opa Willibald.

Und ich ganz laut: Das ging schnell. Toll, dass sie ihre ganze Familie mitgebracht haben. Dann lasst es uns gemeinsam rufen, auf dass uns die Gegner in ganz Baden-Württemberg hören mögen.

Und wir zu sechst ganz laut: Fuck Fuck Fuck! Raus das Pack! Raus das Pack!

Und ich ganz laut: Danke!

Das Publikum dann: Bitte!

Und ich ganz laut: Ich habe mich bei der Familie bedankt, nicht bei Ihnen!

Stille im Publikum…

Und ich ganz laut: War doch nur ein Spaß liebe Befürworter und Befürworterinnen. Natürlich meinte ich alle hier Anwesenden.

Die Gesichtszüge im Publikum entspannen sich wieder.

Und ich ganz laut: Was erzählen die Gegner uns überhaupt, wie unwichtig eine Magistrale Wien-Bratislava ist. Hätten die mal aufgepasst, dann wüssten die, dass die Magistrale irgendwann in Stuttgart hält. Oder besser gesagt der Zug, der auf dieser Magistrale fährt. Und Stuttgart, da wollen doch alle hin. Ausserdem hat mir neulich ein Gegner zu erklären versucht, dass er nie nach Bratislava möchte. Was solle er in Ungarn denn machen?

Das Publikum dann:
Ha, ha, ha, wir fahren nach Bratislava, wir fahren nach Bratislava! Weiterbauen! Weiterbauen! Weiterbauen! Ha ha ha, von Wien bis Bratislava! Ei, ei, ei, Bratislava ist die Hauptstadt der Slowakei!

Und ich ganz laut: Richtig!!! Das nenne ich ein Publikum! Gebildet, gebildet, gebildet! Nicht wie diese Unterschicht der Gegner, die man gar nicht für voll nehmen kann. Die erzählen was von Grasswurzelbewegung und solchen Sachen. Das versteht doch kein Mensch. Gras könnten sie kennen, aber von Wurzeln haben die doch gar keine Ahnung. Schaut uns an, nur Astroturfing wird uns den Fortschritt sichern. Dem Land, der Stadt und nicht zuletzt allen Menschen, die hier leben. Auch für die, denen ich diesen Fortsachritt am liebsten wieder wegnehmen würde, den Gegnern! Wer eine gute Schulausbildung, ein Studium und seine Karriere verpasst, dem ist nicht mehr zu helfen. Der ist nicht in der Position Forderungen zu stellen. Viel lieber sollten sie froh sein, dass WIR, die Besserverdiener für sie sorgen. Mögen Sie in Zukunft ihre Äcker und Felder wieder mit der Sense bestellen!

Das Publikum dann: Astroturfing, das ist unsere Zukunft, Astroturfing, mit dir werden wir groß! Astroturfing, dank dir sind wir zusammen, Astroturfing du bist so gut zu uns!

Und ich ganz laut: Jawoll! Hebt eure Schaufeln liebe Bürger und fangt an zu graben! Gemeinsam sind wir schneller unten! Tiefbahnhof! Tiefbahnhof! Tiefbahnhof! Zum Abschluss habe ich noch ein kleines Gedicht für Sie, liebe Befürworter und Befürworterinnen. Dieses Gedicht können Sie sich natürlich auch ausgedruckt zusammen mit Sekt und Schnittchen hier vorne am Stand KOSTENLOS mitnehmen! Hier meine Abschluss-Botschaft an Sie alle:

Schön ist es hier mit Ihnen Herr Bräuchle
bei hartnäckigen Gegnern nimm das Schläuchle
Bei leichten Gegnern oder einem anderen Penner
wirb mit Argumenten und verweise auf Frau Gönner

Der Landesvater selbst stärkt uns den Rücken
Wir gehen nach vorne mit ganz großen Schritten
Der Ivo und seine Freunde stehen dir stets zur Seite
Erzählst du von denen sucht jeder Gegner das Weite

Wir sagen Schuster bleib bei deinen Leisten
den unser Schuster hat die meisten
Wir sind unschlagbar uns hält niemand auf
Dafür nehmen wir gerne ein paar Opfer in Kauf

Vergleiche von grün zu braun nie gewesen
Keine Angst wir übernehmen natürlich die Spesen
Sei optimistisch und freu dich auf das blühende Land
Es dauert nicht lange, dann sind alle Gegner verbannt.

Nicht vergessen, die Politik lässt euch nicht im Stich,
wir übernehmen die Kosten also ärgere dich nicht
Hilft all das nichts dann sag es ungeniert
das ganze Ding ist „demokratisch aber sowas von legitimiert“.

Tschüß und auf Wiedersehen liebe Befürworter und Befürworterinnen. Und nicht vergessen: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Rech zu Recht!“

Und das Publikum dann: Rech! Recht! Recht so! Weiterbauen! Weiterbauen! Weiterbauen! Wir sind Stuttgart! Wir sind Stuttgart! Wir sind Stuttgart!

Während ich die Bühne verlasse stimmen alle in das Lied „We shall overcome“ ein. Schwankende fähnchenschwenkende Politiker und andere Personen schunkeln auf der Bühne und in der Menge hin und her. Ich habe wirklich ein saugutes Gefühl dabei. Auch wenn wir an der Aufnahmetechnik noch arbeiten müssen. Aber niemand ist schliesslich vollkommen!

[Satiremodus off]

Alle oben stehenden Aussagen sind frei erfunden und entbehren jeglicher Grundlage. Nichts fand jemals so statt, hätte aber passieren können.

2 Meinungen zu “Auf der anderen Seite (2): Der Stuttgart 21 Befürworter

    1. Sehr bezeichnend finde ich die Videobeschreibung: „Ich bin gegen die ganzen Hippis die meine Stadt blockieren…“ – Schön, dass du das Video hier nochmal in den Kommentaren verlinkst. Ist ja fast schon Stuttgart 21 Pro Kulturgut, oder? ;)

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