Auf der anderen Seite (3): Der Punktefuchs und die Bonuskarten

Floyd 4 Kommentare Der letzte Fake
[Satire] Auf der einen Seite stehen sie, die Punktefüchse. Ausgestattet mit Geldbeutel und einem extra Beutel für alle Kundenkarten. Auf der anderen Seite die Komplettverweigerer. In der Realität gehöre ich letzterer Bezugsgruppe an, doch Herr Karauski, Karl Karauski, muss heute Geschäfte erledigen. So nennt er das.

Ich verfluche den Tag, an dem mir Herr Karauski zum ersten Mal begegnet ist. Dieser Mann mit schüttem Haar und pinkfarbenen Sandaletten. Bestimmt rufe ich bei ihm das gleiche Entsetzen hervor. Danke Karauski. Wir schreiben Samstag morgen. Der kleine Uhrzeiger steht auf der 9, der große Zeiger voll auf der 12.

Gerade verlasse ich meine Wohnung. Unten an der Straße versperrt mir ein Auto den Durchgang. Warnblinkanlage an. Karauski: „Da sind Sie ja endlich. Ich warte bereits seit einer Stunde auf Sie“ pöbelt er mich an. „Machen Sie den Weg frei und nerven Sie mich nicht“ lautet meine Antwort. Doch Karauski hat sich etwas in den Kopf gesetzt. „Sie müssen einspringen, bitte! Meine Tochter ist krank und ich muss mit ihr ins Krankenhaus. Meine Frau liegt zu Hause im Bett. Ebenfalls krank. Ich schaffe die Einkäufe nicht. Hier der Zettel. Auf diesem steht was alles besorgt werden muss. Ich komme in 3 Stunden wieder vorbei und hole alles ab!“

Mir verschlägt es die Sprache. Doch bevor ich antworten kann wirft mir Karauski eine gammlige Tasche zu. „Und Punkte sammeln nicht vergessen, sonst kriege ich Ärger mit meiner Frau“, ruft er mir zu. Die Autotür hämmert ins Schloss und weg ist er. Mir fallen tausend Schimpfworte ein, aber die hebe ich mir für später auf.

Die Einkaufsliste

Karauski ist ein ordentlicher Mensch. So penibel, dass er sogar Trennstriche zwischen die unterschiedlichen Einkaufsstationen gekritzelt hat. Folgende Stationen sind für den Einkauf vorgesehen:

  • Tankstelle (Tanken)
  • Bäcker (Brot und Brötchen)
  • Großeinkauf bei Supermarkt XYZ

Prima. Dazu noch diese schimmlige Tasche voller Bonus,-/Kundenkarten.

Die Einkaustour startet

Jetzt wäre mir fast ein gedanklicher Fehler beim Ablauf der Geschichte passiert, aber als ich um die Ecke laufe steht da, welch ein Zufall, Karauskis Auto. Der Schlüssel steckt. Der Typ hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Los geht es zur ersten Station.

Die Tankstelle

Super bleifrei. Tankrüssel rein und laufen lassen. Keine Ende in Sicht. Dann endlich das erlösende Klack-Geräusch! 70 Liter. Ja, Karauski hat so ne Angeberkiste. Auf der Anzeige steht der kaum zu glaubende Betrag von 109,20 Euro. Mit dem Schlüssel in der Hand laufe ich zum Bezahlen.

Meine Worte: Nummer 3 bitte.
Verkäuferin: 109,20 Euro bitte. Darf es sonst noch was sein?
Meine Worte: Kennen Sie einen Karauski, Karl Karauski?
Verkäuferin: Nein.
Meine Worte: Dann hätte ich gerne noch einen 50,- Euro Tankgutschein bitte.
Verkäuferin: Das macht dann 159,20 Euro bitte.

Den Geldbeutel in der Hand zücke ich Karauskis EC-Karte, obwohl, ich nehme lieber die Mastercard, oder die Goldcard? Karauski besitzt glaube ich von jedem Geldinstitut eine eigene Karte. Ich entscheide mich für die Goldcard und reiche sie der Verkäuferin.

Verkäuferin: Danke. Haben Sie eine Payback Karte?
Meine Worte: Ja.
Verkäuferin: Danke. Haben Sie eine ADAC Karte?
Meine Worte: Ja.
Verkäuferin: Danke. Haben Sie eine Tankstellen-Bonuscard?
Meine Worte: Ja.
Verkäuferin: Dürfte ich alle Karten kurz haben?
Meine Worte: Ja.

Nun ist der große Karauski Beutel dran. Ich krame in dem ganzen Karten Wirrwarr umher. Um mir weiteres mühevolles Suchen zu ersparen leere ich den ganzen Beutel auf die Theke. Da liegen sie alle. Diese ganzen schönen Karten. Praktisch pures Gold liegt vor meinen Augen.

Meine Worte: Sie kennen die Karten besser. Könnten Sie sich die entsprechenden Karten nehmen?
Verkäuferin: Sehr gerne. Kleinen Augenblick.

Der Augenblick dauert 10 Minuten.

Verkäuferin: So, bitteschön, Ihre Goldcard, ihre Payback Karte, die ADAC Karte und die Tankstellen-Bonuscard.
Meine Worte: Was bekomme ich denn für die Karten?
Verkäuferin: Sie müssen sammeln. Mit der Payback Karte haben Sie heute 100 Punkte gesammelt. Mit der ADAC-Karte haben Sie 0,02 Cent pro Liter Benzin gespart. Und bei der Tankstellen-Bonuscard fehlen Ihnen noch 40 Stempel, dann bekommen Sie eine Gratis-Wäsche für Ihr Auto.
Meine Worte: Vielen Dank.
Verkäuferin: Gerne geschehen. Und immer schön sammeln!

Karauski wird mächtig stolz auf mich sein, wenn er all die Punkte und Vergünstigungen sieht. Das ist Karauskis Welt. Wo es etwas umsonst gibt steht Karauski stets in erster Reihe. Doch das war erst der Anfang. Die nächste Station wartet schon.

Die Bäckerei

Verkäuferin: Was darf es sein?
Meine Worte: Ein großes Brot, 10 Brötchen und 3 Croissants bitte.

Die Verkäuferin schlingert sich durch eine Gasse zwischen den anderen Verkäuferinnen hindurch. Sie ist ein wahrer Wirbelwind. Jetzt habe ich sie aus den Augen verloren. Doch da hallt es aus einer Ecke.

Verkäuferin: Das Brot schneiden?
Meine Worte ganz laut rufend: Jawoll, bitte schneiden.

Da kommt sie auch schon wieder nach vorne gerauscht.

Verkäuferin: Darf es sonst noch etwas sein?
Meine Worte: Nein.
Verkäuferin: Das macht 8,65 Euro bitte.
Meine Worte: Bitteschön (ich lege einen 10 Euro Schein auf die Theke)
Verkäuferin: Haben Sie unsere Backstuben Paycards?

Da ist sie wieder die altbekannte Frage nach den Karten. Ich zücke also wieder die gammlige Tasche mit allen Karten und lege sie der Verkäuferin auf die Theke.

Meine Worte: Können Sie die Karte bitte selbst suchen? Ich habe da nicht so viel Erfahrung.
Verkäuferin: Kein Problem, wenn Sie erstmal die Vorzüge unseres Bonusprogramms kennen, dann erkennen Sie die Karten schon von Weitem. (ein hämisches Grinsen huscht über ihr Gesicht)
Meine Worte: Karten? Wie viele Karten brauchen Sie denn für diesen Einkauf?
Verkäuferin: Drei. Eine für das Brot, eine für die Brötchen und eine für die Croissants?
Meine Worte: Ist das nicht zu umständlich? Würde da nicht eine Karte für alles genügen?
Verkäuferin: Nein. Anhand der unterschiedlichen Karten können wir genau ihr Einkaufsverhalten analysieren.
Meine Worte: Ach so. Na das ist prima. Das wird Herrn Karauski sehr freuen. Dann packen Sie mir bitte doch noch 50 Brötchen mehr ein.
Verkäuferin: Gerne.
Meine Worte: Und was bekomme ich dann für meine Karten als Gegenleistung?
Verkäuferin: Für 20 gekaufte Brote bekommen Sie 1 gratis. Für 100 Brötchen eine Option auf 2 gratis Brötchen und für 67 Croissants erhalten Sie einen Schokokuss.
Meine Worte: Das klingt hervorragend. Dann muss ich nur noch 19 mal bei Ihnen einkaufen. Vielen Dank.

Die Verkäuferin scannt alle Backstuben-Paycards und reicht mir die Tüte mit dem Einkauf über die Theke.

Verkäuferin: Vielen Dank für Ihren Einkauf und ein schönes Wochenende!
Meine Worte: Danke. Auf Wiedersehen.

So langsam beschleicht mich ein komisches Gefühl. Die Verkäuferin erzählte mir etwas von meinen Daten und Gewohnheiten. Was zur Hölle geht die das an? Ob ich drei Laugenbrezeln oder 1 Croissant esse. Wieso wollen die mich ausspionieren? Was für ein Datenapparat hängt denn bitte hinter so einer einzelnen Bonuskarte? Vor allem wer wertet diese denn aus? Gerade als ich über all diese Umstände nachdenke fällt mir die gammlige Tasche auf den Boden. Alle Karten liegen weit verstreut umher. Ich sammle alle ein und meine kritischen Fragen verblassen, als ich die vielen tollen Goldbarren Bonuskarten erblicke. Ganz viele Smileys. Die können nichts Böses im Sinn führen. Weiter zur letzten Station des Einkaufs.

Der Großeinkauf im Supermarkt

Mit Krauskis Auto und vollem Karacho geht es in die Tiefgarage des Supermarkts. Leider habe ich beim Abbiegen ins Untergeschoss kurz die Mauer des Parkhauses gestreift. Na ja, mit einem leeren Magen sollte man eben knifflige Fahrmanöver umgehen. Nach dem Parken noch schnell den Einkaufswagen holen und los geht der Einkaufskrieg. Menschen strömen durch die Gänge. Eine alte Frau klaut einem jungen Mann das letzte Toastbrot aus dessen Wagen. Nichts passiert, denn der Mann steht mit dem Rücken zu seinem Einkaufswagen. Ich schlage mich mit Karauskis Zettel ebenfalls durch die Gänge und versuche den Horror schnell hinter mich zu bringen.

Was ist das jetzt? Ein Stau vor der Rolltreppe. Eine lange Schlange leerer Einkauswagen steht vor mir. Die Besitzer haben sich um die Rolltreppe geschart und blicken alle verwundert auf ein kleines schreiendes Knäuel. Ich rufe noch vor: „Hey ist nichts Schlimmes, nur ein Kind das seine Mutter erpresst. Könnt ihr bitte weiterfahren?“ Alle drehen sich um und rufen einheitlich: „Klappe halten da hinten!“ Nur weil das Kind keine Gummibärchen bekommt soll ich jetzt hier verharren? Nein. Ich entscheide mich den letzten Ausweg zu beschreiten. Die Rolltreppe entpuppt sich als Rollband. Und wo es nach unten geht gibt es auch ein Band nach oben. Da, da ist das Rollband in die Freiheit. Ich nehme Anlauf und schiesse volles Karacho entgegen der Fahrtrichtung das Rollband hinauf. Geschafft. Unten sehe ich Menschen die mir einen Vogel zeigen. Ich beherrsche mich meinen Mittelfinger eingeklappt zu lassen. Ich muss zur Kasse. Ich will nach Hause. An der Kasse angekommen scannt die Verkäuferin die Produkte. Am Ende sieht es so aus:

Verkäuferin: 143,17 Euro bitte.
Meine Worte: Hier bitte die EC-Karte.
Verkäuferin: Haben Sie die Deutschlandcard?

Hä? Ist denn schon wieder Fußball-WM? Deutschlandcard? Ich fühle mich meinem Land verpflichtet und singe der Verkäuferin die Nationalhymne vor. Sieht bestimmt ganz schön albern aus, aber ich habe die Augen geschlossen und stelle mir vor ich würde gerade im Finalspiel stehen. Als die Hymne vorbei ist sieht mich die Verkäferin etwas verwirrt an, ringt sich dann aber doch zu einem kleinen Lächeln durch.

Verkäuferin: Haben Sie nun die Deutschlandcard oder nicht?
Meine Worte: Bitte, hier ist der Beutel mit allen Karten die ich habe. Suchen Sie Deutschland bitte selbst.
Verkäuferin: Danke.
Meine Worte: Was ist mein Bonus für den heutigen Einkauf?
Verkäuferin: Für 143, 17 Euro erhalten sie 1,43 Punkte auf Ihrer Karte.
Meine Worte: Wie bitte? Was mache ich denn mit Punkten? Ich will Cash.
Verkäuferin: Die Punkte können Sie dann im Internet gegen eine Prämie eintauschen.
Meine Worte: Was für Prämien? Ich gebe Ihnen 143, 17 Euro, da möchte ich schon wissen was das für Prämien sind.
Verkäuferin: Das weiss ich auch nicht genau. Hier, nehmen Sie diesen Zettel mit nach Hause. Da steht die URL und Sie können selbst sehen, was für Prämien auf Sie warten.
Meine Worte: Danke für Ihre Hilfe und Auf Wiedersehen.
Verkäuferin: Auf Wiedersehen.

Als ich den ganzen Einkauf endlich im Auto verstaut hatte fuhr ich nach Hause. Völlig fertig, aber mit unglaublich vielen Boni ist meine Tour vorbei. Die Tortour der Punkte. Ich parke Karauskis Auto vor der Tür und lasse den Schlüssel im Wagen stecken. Sicher ist sicher. Die ganzen Bonuskarten verstreue ich noch schön säuberlich auf dem Beifahrersitz und der Rücksitzbank. Unter den Scheibenwischer klemme ich noch einen Zettel:

Karauski du bist das Letzte, das Allerletzte! Ich will dich nie wieder sehen!

[Satire off]

Fazit der Geschichte

Kein Punktefuchs darf sich jemals wundern, wenn im Briefkasten ein genau auf das eigene Einkaufsverhalten zugeschnittene Angebot steckt. Denn bei der Geringfügigkeit des Rabattes ist eines offensichtlich. Es geht keineswegs um den Rabatt, sondern um Daten. Daten sind ein hohes Gut in unserer Gesellschaft. Anhand dieser können die sogenannten Zielgruppen analysiert werden. Und keine Panik, es werden nicht nur einkaufsrelevanten Daten zur Auswertung herangezogen. Nein, auch Geburtsdatum, Nettoeinkommen und viele mehr wird zu Rate gezogen. Alles, um uns die themenrelevante Werbung zu vermitteln. Oder aber, sollte man ausdrücklich zugestimmt haben, sogar die Daten an andere Unternehmen weiterzugeben. Bei ca. 200 Millionen Bonuskarten im Umlauf kommen viele Daten zusammen. Und diese sind der eigentliche Wert. Nicht die Bonuspunkte. Denn meist muss der Punktefuchs für gewisse Prämien sogar noch eine Aufzahlung leisten. Na denn, viel Spaß beim Sparen.

4 Meinungen zu “Auf der anderen Seite (3): Der Punktefuchs und die Bonuskarten

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