Karauski ist aus dem Sommerloch zurück und hat sich kein Stück verändert. Immer noch als Verwaltungsangestellter in Mückenloch tätig überlegt er gerade einer Partei beizutreten. Ja, er will verändern und plant eine große Parteikarriere. Karauski ist das Vorzeigemodell der Generation „Ich bin kein Rassist, aber…“ Mir schwant, in welche Situation mich Karauski diesmal manövrieren wird. Das gefällt mir nicht. Gar nicht. Aber gegen Karauski habe ich keine Chance. Auch mein Argument, dass ich in einem Stadtviertel Stuttgarts mit 28.000 Einwohnern aus 110 Nationen wohne hält ihn nicht von seinem Plan ab.
Mückenloch ist einfach anders
Bei der letzten Bundestagswahl habe es sich schon angedeutet erzählt mir Karauski. Von 935 Wahlberechtigten in Mückenloch haben 2009 immerhin 17 Personen eine rechtsextreme Partei gewählt. Man kennt sich, man ist unter sich. Dort habe er jetzt die einmalige Chance groß ins Politikgeschäft einzusteigen. Die Nummer 18 zu werden. Doch hierzu habe er eine Aufgabe seiner „Parteifreunde“ erhalten, eine Art Mutprobe, die er nicht erfüllen kann, da er einen wichtigen Geschäftstermin wahrnehmen muss. Seine letzten Worte zu mir: „Schreib eine Rede für die nächste Parteiversammlung. Diese muss ich dann vortragen. Dann entscheidet sich, ob ich aufgenommen werde oder nicht.“
So ein Mist. Jetzt sitze ich also hier und soll mir eine geistig fehlgeleitete Rede einfallen lassen, mit der Karauski bei seinen Parteifritzen punkten kann. Also gut, dann schreibe ich ihm ein paar Zeilen nieder:
Liebe Parteifreunde in Mückenloch,
mein Name ist Karauski, Karl Karauski. Gestern erst war ich mit Kind und Kegel auf dem Spielplatz. Wir legten unsere Decke auf den Boden und fingen an zu spielen. Ein Mädchen kam zu einer meiner Töchter und riss ihr die Schaufel aus der Hand. Als pflichtbewusster Papa rief ich: „Los Stefanie, hol dir die Schaufel wieder! Lass dir doch von so einer nicht die Schaufel klauen!“ Stefanie spielte aber inzwischen schon mit einem Eimer, so dass ich mich gezwungen sah, die Schaufel wieder zu uns zu holen. Ist ja schliesslich unsere. Unser Eigentum. Ich lief zu dem Mädchen, das sich inzwischen zu seinen Eltern gesetzt hatte, und sagte, sie solle mir sofort die Schaufel wieder geben. Darauf lacht das Mädchen nur und zuckte mit den Schultern. Ich riss ihr die Schaufel aus der Hand. Die Mutter rief mir etwas hinterher. Aber nein, nicht auf deutsch. Sie sprach irgendwas das ich nicht verstanden habe. Sie beschimpfte mich, so viel steht fest. Was ist denn das für ein Land, in dem wir leben? Nicht nur, dass sie unser Sozialsystem ausbeuten, jetzt nehmen sie uns auch schon die eigenen Besitztümer weg, unser gesamtes Hab und Gut. Die stehen an erster Stelle in unserem Land, nicht wir.
Aber das ist nicht das einzige Problem. Meine andere Tochter erzählte mir, dass sie jetzt Islamunterricht an der Schule haben. Was soll denn das liebe Parteifreunde? Sollen die doch in den Islam zurückgehen, wenn sie Unterricht möchten. Ich will doch nicht, dass meine Tochter mit Kopftuch herumläuft. Irgendwann stimmen dann alle für ein „Ohne Kopftuch“-Verbot, oder was? Und ja liebe Parteifreunde, genau so weit wird es kommen, wenn wir weiter nur zuschauen und nicht handeln. Ich habe meiner Tochter jetzt ein riesen Kreuz auf den Schulranzen gemalt, damit alle bescheid wissen. Katholisch oder evangelisch. Ja, das ist mir egal. Aber Religion sollte Religion bleiben und nicht Islam.
Wie sagte es der Physiker Dürrenmatt: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“ Deshalb sage ich euch, dass ich es nicht mehr akzeptiere, dass unsere Kultur von den nicht Deutschen durchmischt wird. Klar, ich esse schon ab und zu mal einen Döner oder bestelle was beim Pizzaservice. Aber das ist ja was ganz anderes. Das sind ja die Guten. Ich rede von den Bösen, die mir meine Arbeit streitig machen. Die, die vor mir in der Schlange stehen, wenn ich auf soziale Hilfe angewiesen bin. Die, die vor mir Geld bekommen. Wir müssen sehen, dass wir hier in Mückenloch bald 88 Mitglieder im Dorfverband haben, die sich mit uns für unsere Meinung einsetzen. Ansonsten tragen die Kinder unserer Kühe, Schweine und Rindvieher bald ausländische Namen. Eine deutsche Kuh soll eine deutsche Kuh bleiben. Ein deutsches Schwein, ein deutsches Schwein. Wenn ich eine andere Kultur brauche, dann kaufe ich mir einen Reiseführer. Oder ich fahre in den Urlaub. Aber das mache ich eher seltener. So weit weg von zu Hause ist alles so anders. Da fehlt mir der tägliche Mief von zu Hause.
Zwei Klassen über der, in die meine Tochter geht, ist jetzt sogar ein Mädchen mit so einem Schwarzen befreundet. Ist doch klar, dass deren Eltern sich voller Sorge an mich gewendet haben. Der sieht einfach anders aus, meinten sie. Denen habe ich erstmal unser Parteiprogramm vor die Nase gelegt, damit die mal kapieren, wie weit es hier in unserem Land schon gekommen ist. Die einzige Chance, das solche Freundschaften nicht entstehen können ist, dass wir einfach unter uns bleiben. Sie ziehen jetzt übrigens von Ehrenzipfel zu uns nach Mückenloch, denn der Vater meinte, dass er seine Tochter schützen möchte.
Liebe Parteifreunde, wenn ihr mich in eure Partei aufnehmt verspreche ich euch, dass wir aus Mückenloch einen Vorzeigeort machen werden, der uns landesweit Ruhm und Ehre einbringen wird. Dann wird es nicht mehr passieren, dass die alle Mercedes und BMW und so fahren. Dann werden wir die dicken Schlitten fahren, die wir uns durch ehrliche Arbeit verdient haben. Denn wenn die alle weg sind, dann haben wir ja viel mehr für uns. Das liegt doch auf der Hand. Danach entscheiden wir über Schwule, Lesben, Behinderte und andere. Mückenloch ist erst der Anfang, wenn wir dann andere Orte erobert haben, dann ziehen wir nach Berlin und dann wird da mal Tacheles geredet.
Vielen Dank.
Anmerkung:
Wer Karauski nicht kennt. Karauski ist eine fiktive Figur, die mich in Situationen bringt, mit denen ich im „normalen“ Leben in keinster Weise etwas zu tun habe. Wahnsinn. Diese ganze Rede hat mich unendlich Zeit gekostet. Wie schwierig es ist in solche Denkmuster zu schlüpfen, unglaublich. Noch unglaublicher, was für ein geistiger Schwachsinn in diesem Internet zu finden ist. Diese geistige Verblendung ist immer nur wenige Klicks entfernt von uns. Jetzt würde ich mich freuen, wenn ihr den geisteigen Schwachsinn der Rede in den Kommentaren auseinandernehmt und zerreisst. Stop racial prejudices! Danke.