Internet vs Realität – Per Mittelfinger durch die Galaxis

Floyd 3 Kommentare Gedankenfetzen

Im Internet scheint die Ordnung der Welt, die Verteilung der „Machtverhältnisse“ einen kompletten Wandel zu erleben. In der Realität jedoch tritt das System allem Widerstand entgegen. Wollen „die da oben“ etwa die Stimme des Volkes übergehen? Nein, sie müssen sich keine Sorgen machen. Noch können sie getrost über uns lachen. Wahrnehmen ja, aber jegliche Form von partizipativer Demokratie kann getrost übergangen werden.

internet realität

Die Querdenker der Echokammern

Das Internet ist ein Raum, in dem sich schon immer Querdenker in größtmöglicher Vielfalt versammelt und organisiert haben. Auch wenn, wie es jetzt so schön heisst, die breite Masse den Weg ins Internet gefunden hat. Die Masse erschwert zwar das Herausfiltern von Querdenkern, jedoch gilt auch hier der Grundsatz „Gleich zu Gleich gesellt sich gern“.

Meist wird sich jedes Individuum genau in seinem ihm wohlbefindlichen Kreis bewegen, denn das Internet ist schlauer als noch vor ein paar Jahren. Freundschaftsvorschläge und viele weitere Mechanismen verstärken diesen Effekt des gleichen Interessensbereiches noch.

Das Internet an sich ist kein Ersatz für die Straße. Doch selbst innerhalb dieses ach so schönen Internets gibt es noch zu viele Brüche. Diese Brüche können nicht den Maschinen oder Netzwerken geschuldet werden, es sind menschengemachte Brüche.

Knapp 100.000 gegen Atomkraft – welchen Strom beziehst du?

Beispiel Atomkraft. Nach Fukushima konnte man sich bei Facebook ein Badge für sein Profilbild erstellen, um zu zeigen dass man selbst ebenfalls gegen Atomkraft ist. Schön, aber auch, so what? Jetzt sehe ich also auf Facebook knapp 100.000 „gegen Atomkraft“-Badges. Der Bruch innerhalb dieser netten Aktion war nach dem Erstellen der Badges. Der Transfer ins reale Leben, in ein effektives Handeln scheiterte. Kein Hinweis auf alternative Stromanbieter, keinerlei Information wie viel Ökostrom kostet, keine Möglichkeit des schnellen Wechsels hin zu Ökostrom. Somit blieb es bei dem Statement „User XY“ ist gegen Atomstrom. Dabei könnte würde ich meinen Allerwertesten darauf verwetten, dass 95% der User, die sich dieses Badge holten, selbst Atomstrom beziehen. Aber wir sind doch nur das Internet. Ob die Weiterleitung hin zu geeigneten Ökostrom von Erfolg gekrönt gewesen wäre ist eine andere Frage. Weitere Beispiele kann man im Sekundentakt berichten, z.B. Guttenberg Demos.

Angst vor der eigenen Veränderung

Vor was sollten sich Politiker fürchten, wenn wir ihnen Tag für Tag beweisen, dass das Internet eine in sich geschlossene Blase ist, die es zu selten schafft auf der Straße, in der Realität anzukommen? Dabei widerstrebt sich zu oft ganz selbstverständlich die beidseitige Verknüpfung. Vor dem Computer kann man ganz tolle Sachen machen, die kaum einer körperlichen Betätigung bedürfen. Man kann bequem sitzend die Revolutionen der Länder mitverfolgen und sich über ach so viele kritische Begebenheiten echauffieren. Bei einer Tasse Kaffee lässt sich doch ganz gut der Weltuntergasng heraufbeschwören, oder? Um einen Protest oder eine Volkes Stimme auf der Straße ersichtlich zu machen bedarf es dagegen einer minimaler körperlicher Anstrengung. Man muss sich bewegen. Vielleicht ist dieser Vergleich zu simpel, dennoch glaube ich, dass eben darin ein großes Stück Wahrheit verborgen liegt. Der Mensch möchte etwas verändern, aber möglichst ohne sein gewohntes Umfeld (Leben) verlassen zu müssen. Veränderungen in der Gesellschaft bedürfen aber in großem Masse auch eine Veränderung des Selbst.

Per Mittelfinger durch die Galaxis

Persönlich finde ich es bewundernswert, wie Menschen in unterschiedlichen Ländern auf die Straße gehen, um für ihr Recht zu kämpfen. Ihr Recht auf ein besseres Leben. Doch was nutzt alles Engagement, wenn es keine klare Definition eines Zieles gibt? Diejenigen, die auf der Straße stehen wissen, für was sie eintreten. Sie wissen ebenso, dass es keine Änderung von heute auf morgen geben wird, sondern dass es sich um einen gemeinsam zu definierenden Prozess handelt, der gemeinsam mit der Politik erarbeitet werden muss. „Wir sind für mehr Demkokratie“, „Wir wollen keinen Tiefbahnhof“, „Wir sind für mehr Kontrolle der Banken“, etc. Alles Beispiele, bei denen sich die Politik entspannt zurück lehnen kann. Zumindest solange, bis es zu einem großflächigen Demokratiebrand kommt.

Ansonsten wird natürlich auch jeder Politiker weiterhin die Wichtigkeit des Internets hervorheben. In den Vordergrund stellen, dass es binnen weniger Minuten möglich ist Hunderte, Tausende oder gar Hunderttausende zu mobilisieren. Dass sie aber genau wissen, dass sie uns nur die halbe Wahrheit erzählen dürfte jedem von uns bewusst sein. Die andere Hälfte der Wahrheit ist, dass es Politikern durchaus bewusst ist, dass diese Aktivierung hauptsächlich im Internet verharrt. Mit diesem Wissen können sie weiterhin ohne jegliche Furcht per Mittelfinger durch die Galaxis cruisen. In diesem Sinne: immer schön den „Like“ Button klicken, Badges sammeln, und ab und an auch mal darüber nachdenken, wie wir eine bessere Gesellschaft und eine funktionierendere Demokratie in der Realität erreichen können. Gemeinsam können wir das erreichen.

Bildnachweis
tellumo, CC-Lizenz

3 Meinungen zu “Internet vs Realität – Per Mittelfinger durch die Galaxis

    1. Das ist jetzt aber nicht fair liebe Dora:) Obwohl, innerhalb dieses Netzes ist ein „Gefällt mir“ ja schon eine der wichtigsten Reaktionen:) Deshalb danke, dein Kommentar „Gefällt mir“.

  1. Wie wär’s denn damit:
    http://www.avaaz.org/en/

    Hier geht man zwar auch nicht auf die Strasse, aber man kann sich online zumindest klar formulierten Zielen oder konkreten Anträgen anschliessen oder manchmal auch Staatsoberhäuptern Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen … ;-)

    Oft wurden hier schon ganz gute Ergebnisse erzielt.

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