Warum Wahlen ungerecht sind

Floyd 3 Kommentare Gedankenfetzen, Polit(r)i(c)k

Gestern hatte ich einen Anflug von erneuter politischer Inkontinenz. Anlass war eine Antwort auf meinen Kommentar zur anstehenden OB-Wahl in Stuttgart. Ich sagte im Kommentar offen und ehrlich, dass ich nicht wählen gehen werde, weil ich es satt und leid bin. Diese Machtgeilheit ödet mich an. Wahlplakatsprüche wirken auf mich wie Sprüche aus einer entfernten Galaxie. Die Antwort folgte:

Dann hältst du dich aber die nächsten 8 Jahre aus den Diskussionen innerhalb Stuttgarts raus. Ausserdem gibst du deine Stimme, wenn du nicht wählst, immer der größten Partei.

Mein vielleicht falsches Verständnis

Warum ich durch eine Nichtwahl automatisch der größten Partei meine Stimme gebe ist mir bis heute ein Rätsel. Dies würde doch nur zutreffen, wenn ich meine Stimme dem direkten Kontrahenten, der eine gute Aussicht auf die angestrebte Machtposition hätte, geben würde. Oder? Nun gut, ich bin kein Politologe. Warum ich mich allerdings durch eine Nichtwahl aus den Belangen der Stadt heraushalten sollte, das verschliesst sich mir völlig. Wenn wir wirklich eine Veränderung herbeiführen wollen, dann glaube ich nicht daran, dass diese von oben aufgesetzt werden kann. Diese Bewegung muss von interessierten Bürgern kommen.

Und ich rede nicht von einer Revolution! Auch nicht von einer Partei! Mein Interesse liegt darin, die Menschen in dieser Stadt ein kleines Stück zusammen zu führen. An einem Konzept hierzu arbeite ich mit 4 anderen Personen nun seit knapp 7 Monaten. Die Menschen einer Stadt sind deren wahrer Wert. Menschen sind der Schlüssel.

Wahlen und mein kleiner Traum

Irgendwann sind immer Wahlen. Alle Wahlberechtigten zusammen ergeben 100%. Natürlich nehmen nie 100% an einer Wahl teil. Nehmen wir an, die Wahlbeteiligung liegt bei 60%. Die 60% Wahlbeteiligung werden aber sofort auf 100% hochgestuft. Die 40% Nichtwähler werden beim Endergebnis ignoriert. Als Beispiel hat der Landtag in Baden-Württemberg momentan 138 Sitze. Mit einer Wahlbeteiligung von 60% dürfte der Landtag aus meiner Sicht nur mit 83 Sitzen besetzt werden.

Der große Aufschrei

Was passiert mit den verbleibenden 55 Sitzen? Irgendwie müssen doch die Parteien ihre Schäfchen alle da hinsetzen können, oder? Sind ja auch ganz wichtige Posten dabei. Ich meine nein. Die restlichen 55 Sitze müssten mit zufällig ausgewählten Nichtwählern besetzt werden, die einer Teilnahme zustimmen. Vom Hartz IV Empfänger bis hin zum Rentner, zum Architekten, zur allein erziehenden Mutter, zum Unternehmer, zum Jugendlichen, etc. Natürlich würden diese „parteilosen“ Menschen ebenso für ihre Arbeit im Landtag entlohnt werden, wie diejenigen, die eine Partei vertreten.

Spannende Diskussionen und Auseinandersetzungen

Die Konstellation an sich würde wahrscheinlich schon den Stoff für unendlich viele Krimis geben. Politiker würden auf einmal der Realität gegenüber sitzen. Der Realität in Form von Menschen, die nicht als Partei auftreten. Vielleicht würden sich auch Schwerpunkte innerhalb des „politischen“ Handelns ergeben. Bürger würden nachvollziehen können, dass es nicht immer leicht ist Entscheidungen mehrheitsfähig zu treffen.

Offenes Ende

Selbstverständlich werdet ihr mir jetzt die diversen Details um die Ohren hauen. Etwas wie: „Was machst du, wenn jemand als Nichtwähler das nur machen würde, um an das Geld zu kommen, bei Entscheidungen aber keinerlei Interesse zeigt?“ Oder sowas hier: „Du willst mit Nichtwählern ausgerechnet die Menschen im Landtag haben, die keinerlei politisches Interess zeigen?“. Ich könnte euch auf jede dieser Fragen vielleicht eine persönliche Antwort geben. Eventuell in den Kommentaren? Danke.

3 Meinungen zu “Warum Wahlen ungerecht sind

  1. Interessanter Ansatz. Speziell der Punkt Sitze mit Nichtwählern zu versehen. Das lässt aber befürchten, dass dort dann Leute sitzen, die nicht wirklich verstehen, was sie da treiben.
    Ich setze mich, hier in Berlin Neukölln, gerne mal in eine Eckkneipe und schaue dem „einfachen Bürger“ auf’s Maul. Bei dem, was die zum Teil so äussern, bin ich doch recht froh, dass die sich aus politischen Dingen raushalten.

    Ich persönlich bin vor anderthalb Jahren in Die PARTEI eingetreten, um die Satire zu nutzen. anderen Parteien den Spiegel vorzuhalten.

    1. Klar, da würden Leute sitzen, die nicht verstehen, um was es geht. Ich frage mich einfach nur, um was es denn wirklich geht? Auf der einen Seite haben wir die Paragrafen, die Gesetze, die Richtlinien, etc. Auf der anderen Seite geht dies oft, vor allem auf kommunaler Ebene völlig an den Interessen sehr vieler Bürger vorbei.

      Die dort sitzenden Nichtwähler würde ich als menschlichen Ausgleich sehen. Sicherlich haben die wenigsten eine Ahnung von den ganzen Gesetzen, etc. Aber: sie haben den Vorteil, dass sie täglich ein ganz anderes Leben führen und die Notwendigkeit von Veränderungen viel früher erkennen. Wie man das Ganze dann ins Konstruktive lenken kann, das müssten dann alle Mandatsträger entscheiden.

      Langer Rede, kurzes Hirn: wir brauchen viel mehr einen neuen Pragmatismus, als jemals zuvor. Gerade das Ungleichgewicht würde die ganze politische Sache mal ordentlich beleben.

      P.S. Die Partei, da haste eine gute Wahl getroffen. Wenn ich allerdings irgendwo nur das Wort „Partei“ lese, bekomme ich oftmals sooooo einen dicken Hals ;)

  2. Guter Text, gute Aktion sich „anders zu engagieren“.
    Ich für meinen Teil habe bei den beiden letzten „großen“ Wahlen (NRW und Bundestag) ganz bewusst auf meine Stimm-ABGABE verzichtet. Warum steht zu genüge in meinem Weblog (tag/anarchism)

    Ich warte manchmal in solchen Diskursen dann immer so lange, bis das „dann darfst du aber auch nicht meckern“-Argument kommt. Das kommt nämlich immer! Der, der es loslässt, wird dann in er Luft (verbal) zerrissen. Bisher hat mir in unzähligen Diskussionen noch keiner auch nur EIN Argument nennen können, was mich motivierte, doch mal wieder hinzugehen. Die „Piraten“ wären eine Idee gewesen; repräsentiert fühlen würde ich mich aber auch von denen nicht mal ausreichend.

    Ich bin es leid.
    http://radicalgraphics.org/albums/Anarchy/nogod_nomasters_anarchism.sized.gif
    So!

    ;)

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