Die katholische Kirche, ein Missbrauch und meine persönliche Geschichte

Floyd 35 Kommentare Gedankenfetzen

Seit einigen Jahren trage ich mich nun mit dem Gedanken diese sehr persönliche Geschichte zu schreiben. Bisher scheute ich mich, weil ich dachte, dass ich in dieses Internet niemals etwas so persönliches schreiben wollte, merkte aber, dass ich mir damit nur selbst etwas vormachte. Inzwischen bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass das Internet alles andere als unpersönlich ist. Sollten ein paar Leute diesen Artikel missverstehen, dann ist das eben so und es gilt das zu akzeptieren. dasNuf hat mich ohne ihr Wissen einerseites durch ihren Tweet, andererseits durch ihren Artikel erneut an meine Geschichte erinnert. Die katholische Kirche und ich.

(Bild der Kirche entfernt – siehe Update 3)

Meine Kindheit in der Kirche

Sorry, ich muss kurz schlucken, bevor ich anfange, denn ihr wisst gar nicht, wie oft ich diesen Text schon tippte und doch wieder löschte. Aber heute hat das Schweigen ein Ende. Aufgewachsen in einer einer Kleinstadt (Anm: Stadtname entfernt, siehe Update 3), ging ich als kleiner Steppke in die Kirche. Katholisch, natürlich. In dieser Region Deutschlands (Anm: Region erweitert, siehe Update 3) sind wohl die meisten katholisch. Die Kirche war, und ist auch heute noch, ein riesiger Betonklotz, der es den Besucher_innen schwer macht, Gott zu erleben. Als kleiner Junge ist dies aber sicherlich nicht der entscheidende Aspekt, eine Kirche zu besuchen. Es gab diverseste Freizeitangebote, wie z.B. Zeltlager für Kinder, Skiausflüge und vieles mehr. Das machte mir als Kind immer riesig Spaß. Die Gemeinschaft war einfach toll. Natürlich ging ich auch Sonntags in die Kirche. Als ganz kleiner Junge einfach so, später erlernte ich das Ministrantenhandwerk. In meiner Erinnerung ständig eine Szene, als ich an Ostern als Ministrant eine Fahne tragen sollte, nach 20 Minuten aber so eine Übelkeit verspürte, dass ich aus der Kirche gehen musste. Aus heutiger Sicht würde ich behaupten, das ist die klassische Kirchenlaufbahn eines Kindes, das behütet in einer Kleinstadt aufwächst.

Der ominöse Kirchgänger

Herr S.* war zum damaligen Zeitpunkt ungefähr 65-70 Jahre alt und gehbehindert. Damals beschreibt das Jahr 1979. Sein Stammplatz war die vorletzte Bank. Er saß immer am linken Rand, damit er seine Krücken anlehnen konnte. Jeden Sonntag um 11.30 Uhr saß er da.

(Bild der Kirche entfernt – siehe Update 3)

An den Zeitpunkt, an dem ich Herrn S. zum ersten Mal traf, kann ich mich noch sehr gut erinnern. Wir, die Ministranten, waren in der Sakristei. Nach dem Gottesdienst klopfte es an der Tür und Herr S. trat ein. Pfarrer Z.** und Herr S. begrüßten sich. Herr S. kannte schon einige Ministranten. Sie unterhielten sich freundlich, was mir ein Gefühl der Sicherheit vermittelte, denn auch ältere Ministranten kannten ihn. Der Messdiener und Hausmeister Herr M*** schien Herrn S. ebenfalls gut zu kennen. Der Sohn von Messdiener M. war in meinem Alter und ebenfalls Ministrant. Nach ein paar Minuten verliess Herr S. die Sakristei wieder.

Eine Woche später, wieder ein Sonntag, kam Herr S. erneut in die Sakristei. In den nächsten Wochen wurde es fast zum Ritual, dass dieser Mann in der Sakristei ein,- und ausging. Man lernte sich kennen. Irgendwann lud uns Herr S., der innerhalb der Kirche einen vorzüglichen Ruf genoss, zu einem Mittagessen zu sich nach Hause ein. Meine Eltern und ich standen vor einem hohen Gebäude in der X-Y Straße (Straßenname entfernt – siehe Update 3) und suchten das Klingelschild und klingelten. Ich mochte Herrn S. irgendwie. Mit dem Aufzug in den siebten Stock. Die Tür stand bereits offen und das Essen war schon im Backofen. Es gab Hähnchenschlegel und Pommes. Ja, Herr S. wusste, was Kinder mögen. Wir hatten einen tollen Mittag und verabschiedeten uns dankend.

Die Basis des Vertrauens war gelegt

Herr S. hatte bei meinen Eltern einen absolut vertrauenswürdigen Eindruck gemacht. Die Wohnung war sauber, der Mann sehr nett. Wir trafen uns noch ein paar Mal gemeinsam zum Mittagessen, das Vertrauen verfestigte sich. Irgendwann sprach mich Herr S. in der Sakristei an und fragte, ob ich nicht mal alleine zu ihm nach Hause kommen wolle. Da war ich sieben Jahre alt. Warum eigentlich nicht, dachte ich und sagte zu. Zu Hause fragte ich noch meine Eltern, ob es ok wäre, dass ich Herrn S. besuchen kann. Klar hatten meine Eltern nichts dagegen, sie kannten Herrn S. bereits.

Mein erster Besuch

Am nächsten Sonntag ging ich also nach der Kirche mit Herrn S. nach Hause. Mittagessen, wieder gab es Hähnchen und Pommes, aber das ist einem Kind ja egal. Das kann man theoretisch auch fünf mal die Woche essen. Nach dem Essen zeigte mir Herr S. eine große Sammlung an Kuscheltieren und ich durfte mit denen spielen. Wie es dann genau zum ersten Übergriff kam, ich kann es nicht mehr nachvollziehen. Ich saß auf der Couch und Herr S. machte meine Hose auf und spielte an mir herum, während ich mit dem Kuscheltier in den Händen spielte. Sorry, mir kommen kurz die Tränen. Pause…

Alles nach klassischem Muster

Es ist so absurd, meine Finger wollen nicht mehr weiter tippen, aber mein Gefühl sagt mir, dass es der letzte befreiende Schritt für mich sein wird. Zurück zur Geschichte. Am Nachmittag holte mich meine Mutter ab, nicht ohne dass ich mir vorher noch ein Kuscheltier aussuchen durfte. Dann lief ich nach unten und stieg ins Auto. Ich hatte keinerlei Ahnung, was da damals passierte, aber ich empfand es weder als schlimm, noch als abartig, noch als Missbrauch, noch als schön, noch als wunderbar. Es war einfach so. Mit sieben Jahren war ich nicht fähig, die Situation „rational“ zu beurteilen. Ansonsten hätte ich meiner Mutter etwas erzählt.

So aber folgten in regelmässigen Abständen weitere Treffen mit Herrn S. Sogar über Nacht blieb ich irgendwann bei ihm. Natürlich hörten die sexuellen Handlungen, der Missbrauch nicht auf. Als Kind empfand ich jedoch den Geruch seines Badezusatzes viel schlimmer als den sexuellen Missbrauch. Absurd, oder? Deswegen verabscheue ich bis heute diesen Eukalyptus Duft im Badewasser. Dass die sexuellen Handlungen des Herrn S. weiter gingen als einfach nur herumspielen ist fast nicht mehr erwähnenswert und ich möchte das auch nicht weiter ausführen. Mit geringem Verstand könnt ihr euch euren Teil denken. Es war aus heutiger Sicht absolut pervers.

Die Folgen des Missbrauchs

Der Missbrauch ging ca. bis zum 9. Lebensjahr. Irgendwann fiel mir natürlich auf, dass das Verhalten von Herrn S. alles andere als „normal“ war und ich besuchte ihn einfach nicht mehr. Als Kind war ich aber geistig noch nicht in der Lage abzusehen, dass ich weitere Kinder hätte warnen können. Irgendwann, als ich 14 war, sagte mir meine Mutter, dass Herr S. gestorben ist und meinte, Pfarrer Z. habe nachgefragt, ob ich an seiner Beerdigung ministrieren möchte. Ja, ich war immer noch Ministrant. Ich weiss nicht, wie viele „Absurds“ ich noch schreiben muss, aber das ist absurd. Natürlich verneinte ich und beschloss daraufhin mit dem Ministrieren aufzuhören. Mit 14 war mir nämlich vollends klar, was für eine persönliche Brandmarkung ich durch den Missbrauch erfahren musste. Das kann man nicht einfach aus dem Leben streichen. Das ist ein Teil meines Lebens, für immer.

Die persönliche Aufarbeitung

Während andere Jungen mit 14 ihre ersten „Willst du mit mir gehen?“-Freundinnen hatten, hatte ich keinerlei Interesse an Mädchen. Gut, ich spielte mit 14 auch noch Lego Technik, insofern weiss ich nicht, ob das ein Resultat des sexuellen Missbrauchs war, oder nicht. Doch auch mit 16 oder 17 Jahren hatte ich nicht wirklich Interesse an jungen Frauen. Auch nicht an jungen Männern. Mir war das Thema einfach völlig egal.

Mit 18 oder 19 hatte ich dann meine erste Freundin. Natürlich wollte man auch Sex. Man ist jung, will sich ausleben, austoben, Party machen. Sachen, die man als Jugendlicher eben gerne macht. Auf der anderen Seite wusste ich nicht mal, wie Sex funktionieren sollte. Ich mochte das Mädchen wirklich sehr gerne, stellte mich aber total hilflos an. Natürlich kamen die Bilder aus der Kindheit wieder hoch, die Bilder des lüsternen Herrn S. Ich merkte, dass ich diese Geschichte noch nicht verarbeitet hatte. Somit verletzte ich meine damalige Freundin, indem ich ohne Begründung die Beziehung beendete. Hierfür möchte ich mich heute entschuldigen. Ich konnte ihr noch nicht von meiner Geschichte erzählen, hatte Angst, dass sie mich abstempelt.

Nach der nächsten gescheiterten Beziehung beschloss ich etwas zu unternehmen. Mir war bewusst, dass es keine Möglichkeit gibt, eine asexuelle Beziehung zu führen. Platonisch, Händchen haltend und küssend geht zwar eine ganze Zeit, aber nicht dauerhaft. Also beschloss ich in Erfahrung zu bringen, wie es denn wohl den anderen Ministranten (Mädchen durften damals in einer katholischen Kirche noch nicht ministrieren) damals erging. Wer wusste von Herrn S? Wer war vielleicht sogar selbst betroffen und schwieg? Ich klapperte diverse Ex-Ministranten ab, um sie zum Thema zu befragen.

Der Mantel des Schweigens

Was hatte ich mir damals von dieser Aktion erhofft? Ja, ich war so naiv zu glauben, dass irgendjemand ebenfalls seinen Missbrauch zugibt. Darüber reden aber die wenigsten. Doch ich konnte mich beruhigen. Während ich vielen meiner damaligen Mitministranten in die Augen schaute, mussten diese nichts mehr erzählen. Bei einigen merkte man, wie Wasser in die Augen schoss. Keine Tränen, nur feuchte Augen. Das hört sich für Aussenstehende total doof an, aber mir selbst gab es das Gefühl eben nicht Schuld an diesem Missbrauch zu sein. Ich hatte Herrn S. nicht aufgefordert sexuelle Handlungen an mir durchzuführen. Viel wichtiger noch: ich fühlte mich nicht mehr alleine mit meiner Vergangenheit.

Mit 24 Jahren, einen Tag vor Weihnachten, erzählte ich meinen Eltern, was damals passierte. Sie waren völlig vor den Kopf gestossen. An diesem Abend flossen viele Tränen, auf allen Seiten. Darauf folgten viele Umarmungen und ich kam meinem inneren Frieden wieder ein Stück näher. Ganz ehrlich, liebe Mama, lieber Papa: Ich liebe euch! In dieser Geschichte gibt es keine Schuldigen. Ihr nicht, ich nicht. Der Schuldige ist längst tot. Ihr habt so großartig reagiert, als ich euch das erzählte. Shit, mir kommen schon wieder die Tränen. Auch wenn das Weihnachtsfest durch diese Geschichte etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde, so hat uns diese Geschichte noch näher zusammengebracht.

Mir ist bewusst, dass ihr diese Geschichte für so persönlich haltet, dass ihr eine Veröffentlichung nicht gut finden würdet. Nicht weil euch dann andere Menschen in der Kleinstadt darauf ansprechen könnten, nein, vielmehr findet ihr, dass dies einfach zu persönlich ist, um es mit jedermann in diesem Internet zu teilen. Sorry, diese Veröffentlichung ist der letzte Schritt, um diesen Missbrauch tatsächlich für immer in Frieden Ruhen zu lassen. Warum 16 Jahre nachdem ich es euch erzählt habe? Weil dieses Thema immer wieder aufkommt, sobald ich irgendetwas mit Kirche und Missbrauch lese. Und das war ja in den vergangenen Jahren nicht gerade wenig der Fall.

Gedanken, die in mir sind

Inwieweit nun die katholische Kirche bei diesem Missbrauch inbegriffen ist, das überlasse ich euch. Mein innerstes Gefühl sagt mir, dass jeder zumindest um die Vorlieben des Herrn S. wusste. Pfarrer Z. empfing ihn immer freundlich in der Sakristei, gewährte ihm Zugang zu ausreichend Kindern. Vielleicht hatte Pfarrer Z. gar ein Verhältnis mit Herrn S.? Das ist und bleibt Spekulation, aber ich kann mir das alles bis heute nicht wirklich erklären. Der Sohn von Hausmeister und Messdiener M. schaute ebenfalls mit wässrigen Augen, als ich ihn nach seinen Erlebnissen fragte. Wie viel wusste Herr M.? Keine Ahnung. Letztendlich ist es aus heutiger Sicht völlig egal, denn ich will mit diesem Artikel niemanden anklagen oder zur Rechenschaft ziehen. Mein einziger Antrieb der Veröffentlichung ist wieder ein Stück dieser Vergangenheit abschliessen zu können und anderen Betroffenen Mut zu machen. Lasst uns darüber sprechen! Nicht um die Kirche zu diskreditieren, sondern um unsere Geschichten öffentlich zu machen.

Anmerkungen und viele P.S.

P.S. Liebe Freunde. Wenn ihr erst heute davon erfahrt, hatte ich bisher nicht den Mut, euch diese Geschichte persönlich zu erzählen. Sorry. Liebe Ex-Ministranten (ihr wisst, wer gemeint ist), falls ihr doch noch mal reden wollt, jemanden zum Zuhören braucht, meldet euch.

P.P.S. Übrigens, der Sohn von Hausmeister und Messdiener M. wurde ebenfalls katholischer Pfarrer und Papa! Er steht sowohl zu seinem Kind, als auch zu seiner Partnerin und wurde von der Diözese vom Dienst suspendiert. Bravo, liebe katholische Kirche!

P.P.P.S Wie katholische Bischöfe die Studie zum sexuellen Missbrauch stoppen können, wo es eindeutige Hinweise auf eine Art organisierten Pädophilen-Ring gibt, bleibt mir schleierhaft.

P.P.P.P.S Ich will niemanden vom Glauben abbringen, habe inzwischen meinen eigenen Glauben gefunden, den ich aber nicht hinausposaunen muss, um überzeugt davon zu sein. Klar, mein Glaube ist ein Strickwerk unterschiedlicher Gedanken, aber ich lebe sehr gut damit. Nächstenliebe ist übrigens eine Sache, die man nicht durch Aussprechen des Wortes praktiziert. Und Gott kann man auch ausserhalb eines kalten Kirchengebäudes durch tägliche Taten erfahren. Nur mal so.

P.P.P.P.P.S Wenn ihr Kommentare hinterlasst, dann erspart euch bitte Äußerungen wie „Oh man, das ist ja voll schlimm, was dir passiert ist“ oder ähnliches. Bitte vermeidet auch pauschal auf die katholische Kirche einzuschlagen, denn das führt ebenfalls nicht weiter. Ich kenne durchaus viele Menschen, die der katholischen Kirche angehören und absolut liebenswerte Menschen sind. Pauschalisierungen helfen nicht.

Das schönste Abschlussstatement hat @dasnuf getwittert:
https://twitter.com/dasnuf/status/293422802105688066

*,**,***: Die Namen wurden abgekürzt, um die betroffenen Personen zu schützen.

Update 1

Liebe Leser, ihr seid einfach toll. Vielen Dank an alle, die mir eine persönliche Mail geschickt haben. Solch mitfühlende Worte hätte ich nicht erwartet. Unglaublich, wie viele Mails da kamen. Danke auch an alle Kommentatoren, auch wenn mir klar war, dass dieses Thema kontroverse Ansichten ans Tageslicht bringen wird. Das finde ich aber gut und wichtig, denn nur über einen Austausch kann man bei dieser Thematik vorankommen. Danke vor allem an einen damaligen Ministranten, der mir ebenfalls per Mail geschrieben hat und mir meine Vermutung, die ich oben im Artikel äusserte, bestätigte. Über alles hüllte sich ein Mantel des Schweigens. Danke für deinen Mut, nach so vielen Jahren des Schweigens, dieses zu brechen. Das bedeutet mir sehr viel. Wirklich. Und bitte denke daran: auch du bist mit deinen Erlebnissen nicht alleine! Vielleicht treffen wir uns ja doch mal persönlich, wenn wir beide wieder in der „Heimat“ sind.

Update 2

Danke an Borna für den Hinweis, dass die Studie zum sexuellen Missbrauch nicht gestoppt, sondern nur einem anderen Institut anvertraut wurde. Begründet wird dies dem mangelnden Vertrauen in die Person von Professor Dr. Pfeiffer, der die Studie durchführen sollte. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, warum es nach 3 Jahren noch immer keine annähernd relevanten Zahlen zu diesem Thema gibt. Das mangelnde Vertrauen wird sicherlich nicht seit 3 Jahren bestehen.

Update 3

Gerade eben hatte ich das Gefühl, alles was Ort und Kirchenname betrifft, aus dem Text herauszunehmen. Klar, ich weiss, dass einige Leute das noch im Feedreader haben. Nicht schlimm. Mir ist ebenfalls klar, dass es einen Google Cache gibt. Mir ist auch klar, dass ihr mir jetzt Zensur vorwerfen könntet. Aber: mir wurde gerade nach einem Gespräch mit meiner Frau bewusst, dass die genauen Ortsangaben, etc. für die Geschichte überhaupt nicht relevant waren. Die Aussage der Geschichte sollte lauten: redet darüber, schreibt darüber, wenn ihr Betroffene seid, dann kommt aus der Kammer des Schweigens. Reden hilft immer. Nicht Aussage dieses Textes sollte sein: die sind verantwortlich, hier und hier ist es passiert, etc. Danke für euer Verständnis.

35 Meinungen zu “Die katholische Kirche, ein Missbrauch und meine persönliche Geschichte

  1. Du schreibst, Du wolltest die Kirche nicht diskreditieren. Aber genau das machst Du, indem Du vom „Missbrauch in der Kirche“ schreibst. S. War kein Pfarrer. Aber der Pfarrer hat ihm Zugang zu Dir gewährt. Das hat er aber genauso unwissentlichgetan wie es Deine Eltern haben. Du lenkst sogar bewussrt den Verdacht auf den Pfarrer, was ein starkes Stück ist. Was Dir geschehen ist, mag schlim sein, aber ich fürchte, dass Du den beschriebenen Frieden kaum findest, solange Du Verdächtigungen raushaust. Und wieso sollst Du was Besseres sein als die vielen tausend armen Missbrauchsopfer, die sich eine Therapie suchen, aber keine bewilligt kriegen? Eine Therapie machst Du, um Deinen Frieden zu finden, und nicht, um neuen Hass zu schüren. Keiner redet davon, auch nur eon gutes Haar an Arschloch S. zu lassen. Aber würdest Du Deinem ehemaligen Pfarrer auch dasselbe ins Gesicht sagen?

    1. Yo, Frank, mir war bewusst, dass Kommentatoren wie du hier aufschlagen werden. Und das ist gut so. Wir brauchen den Diskurs. Zu deinen Äusserungen:

      – Ja, der Missbrauch ist im kirchlichen Umfeld passiert. Problem damit? Ich habe an diversen Stellen auseinandergehalten, an einigen zusammengeführt.

      – Ja, ich würde das dem ehemaligen Pfarrer ins Gesicht sagen. Und ich lenke keinerlei Verdacht auf ihn. Ich stelle Mutmaßungen an, mit denen sich Betroffene automatisch auseinandersetzen. Weiterhin stellst du ja ebenfalls Mutmaßungen an, oder wie findest du deinen Satz:

      „Das hat er aber genauso unwissentlich getan wie es Deine Eltern haben“

      Warst du dabei? Wenn ja, dann melde dich doch persönlich per Mail bei mir. Alles andere ist ebenfalls so reine Spekulation wie meine eben.

      Mal ne ganz blöde Frage: wenn ein Pfarrer mitbekommt, dass ein 65-70jähriger Mann einen 7-jährigen Jungen alleine zu sich nach Hause einlädt, was würdest du von einem Pfarrer erwarten? Yo, stimmt, ich kann das alles nicht beweisen. Aber ich bin mir sicher, dass noch mehrere Ministranten betroffen waren. Das schrieb ich bereits im Artikel. Dir würden mit Sicherheit aus Empathie die Tränen in die Augen kommen, wenn ich dir diese Geschichte persönlich erzählt hätte, oder?

      Die Verabredungen wurden wahrscheinlich (Mutmaßung) ebenfalls in der Sakristei getätigt. Ein Pfarrer müsste also nicht stutzig werden, wenn ein älterer Mann sich regelmässig mit jüngeren Kinder, die in seiner Kirche ministrieren, in seiner Sakristei privat verabredet? Was spielt denn so ein 65-70jähriger Mann denn mit so einem kleinen Kind? Mensch ärgere dich nicht? Erzähl mir bitte bitte mal was Sinnvolles und nicht so einen Unfug. Sorry.

      – Ich halte mich übrigens nicht für etwas Besseres, sondern für etwas Gleiches

      – Das mit der Therapiegruppe sollte jedem selbst überlassen sein, findest du nicht? Ich bedauere es zutiefst, wenn jmd. keinen Therapieplatz bekommt. Das kann nicht sein. Ich aber habe das eben für mich persönlich verarbeitet, ohne Therapie. Und ja, mir geht es inzwischen gut. Ich konnte sogar vergeben. Unglaublich, oder?

      – Das Wort Opfer ist in diesem Zusammenhang übrigens völlig falsch verwendet. Missbrauchsopfer? Es sind missbrauchte Menschen, denn wie du selbst schreibst, hinter jedem Missbrauch steckt erstmal ein Mensch.

  2. Wenn der Pfarrer was gewusst hat, hat er sich schuldig gemacht. Hat er was gewusst? Wenn nicht, ist das, was Du tust, ziemlich fies. Deine letzt Äusserung verstehe ich nicht. Glaubst Du jetzt wirklich, dass es naheliegend ist, das ein älterer Mann, der sich mit Jungs trifft, Sex mit denen macht? Ist doch eher abwegig, oder?

    1. Glaube mir, ich weiss worauf du hinaus möchtest. Ich äusserte meine Vermutung und du legst es mir als „fies“ aus. Wahrscheinlich hast du diesen kleinen Satz überlesen.

      „Das ist und bleibt Spekulation, aber ich kann mir das alles bis heute nicht wirklich erklären.“

      Bitte komme jetzt nicht und sage, dass dieser Satz meine möglichen „Vorwürfe“ in keinster Weise entkräften würde. Denn sonst würden wir übermorgen noch diskutieren, was ich zwar toll fände, aber uns wahrscheinlich keinen Schritt weiter bringen würde.

      Kann natürlich sein, dass ich aufgrund dieser Erfahrung vieeeeeel kritischer bin, aber nochmals: was macht ein 65-70 jähriger Mann, der sich mit einem siebenjährigen Kind verabredet? Also ich würde mich aufgrund meiner Vorgeschichte schon fragen, was so jemand machen würde. Schliesslich ist es nicht der Opa, mit dem man sich da verabredet. Abwegig, wie du das beschreibst, ist das auf keinen Fall.

  3. Habe von Putte den Link bekommen. Ich nehme deine Geschichte so fürwahr, wie du sie schreibst. Daran gibt es nichts zu kritteln. Es gibt auch nichts abzuwehren, weil nichts und niemand angegriffen ist.
    Subjektiv:
    Es geht dir um dich selbst, und das ist gut so, denn nur du selbst kannst überwinden, was dich blockiert und verletzt hat. Du hast dich offensichtlich alleine auf diesen Weg gemacht, ohne Hilfe von außen. Aber deine Eltern waren dir ein bedeutender Halt. Sei froh drum. Den bekommen oder finden nicht alle.
    Objektiv:
    Es ist völlig wurscht, ob und wie weit die Instanz Kirche und ihre Diener involviert sind (waren). Das gilt auch für Internate, Schulen, Vereine – immer dort, wo die Abhängigkeit, das Vertrauen und die Naivität von Kindern missbraucht werden.
    Resonanz:
    Ich selber, mittlerweile alt geworden, laboriere seit vielen Jahren an ähnlichen Erlebnissen herum, die meine Kindheit und Jugend in wesentlichen Dingen beeinflusst und auch blockiert haben. Zusätzlich kenne ich saftige „Geschichten“, die meine Stuttgarter Freundinnen erzählt haben. Ebenso glaubwürdig, denn manche Details kann man in ihrer Schrägheit nirgends abschreiben. Und da spielen eben Vertreter der Kirchen (kath. UND ev.) eine wesentliche Rolle. Teilweise auch im Guten! Bald werde ich auch zu schreiben beginnen. Die „Wehen“ haben schon eingesetzt.
    Glasklar habe ich alles gespeichert in meinem Elefantengedächtnis, und ich bedaure es sehr, dass bis heute niemand im gesellschaftlichen Umfeld, vor allem der beiden Kirchen, in denen ich als kirchenmusikalisch Tätiger laufend ein und ausgehe, sich für meine Geschichten interessiert. Eltern und ähnlichrangige Bezugspersonen sind längst nicht mehr hier. Die „Täter“ auch nicht.

    Hochachtung und Ermutigung für den Einblick in deine Erfahrungen. Danke. Und guten Mut für dich selber!

    Übrigens: Raus aus der Kirche bin ich noch nicht, obwohl es längst an der Zeit wäre. Ich möchte diejenigen nicht verunsichern, die mir da drinnen wichtig sind. Und ich kenne keinen Ort, wo ich meine Art abstrakter Spiritualität besser leben kann, wie beim frei-inspirierten Orgelspiel im Gottesdienst und bei verwandten Anlässen. Würde ich gehen, dürfte ich das wohl nicht mehr. Manche meiner Kollegen sind ähnlich gespalten und reden nicht darüber.

    1. Danke Reinmar für deine Worte. Und ja, bitte fang an darüber zu schreiben, wenn dir danach ist. Das befreit wirklich und noch viel wichtiger, es schafft eine Basis für weitere Menschen, die Ähnliches erlebt haben. Das Schlimmste ist nämlich das Schweigen. Das mit dem Vertrauen und der Abhängigkeit hast du ja bereits treffend in deinem Kommentar formuliert. Deswegen ist es letztendlich völlig egal, diese Themen müssen ernsthaft diskutiert werden und es müssen daraus Konsequenzen abgeleitet werden.

      Da finde ich es bewundernswert, dass du immer noch in der Kirche aktiv bist. Ehrlich. Aber eines ist auch klar: auch die Kirche braucht Menschen, die an Aufklärung wirklich interessiert sind. Deshalb sind Menschen wie du und viele andere dort sehr sehr wichtig ;)

  4. Lieber lieber Floyd,
    vielen Dank für diesen Text. Was du erzählst, wie du es erzählst, hat mich sehr berührt und es ist unglaublich wichtig, dass mehr Leute den Mund aufmachen, wenn es um Missbrauch geht. Egal, wie lange er her ist.
    Ich lese ja schon etwas länger deinen Blog und habe glaub ich auch den einen oder anderen Beitrag kommentiert, aber keiner hat mich bisher so bewegt wie dieser. Und ich freue mich so für dich, dass du mittlerweile selbst eigene Kinder hast und dass du auch mit deinen Eltern darüber reden konntest. Das können nicht viele (weder das eine noch das andere).
    Es kann nicht sein, dass Erwachsene so mit Kindern umgehen, egal in welchem Umfeld und egal, ob der Pfarrer etwas wusste. Es ist doch jedes Mal ein Schlag in die Magengrube, wenn der Papst sich zu den Missbrauchsvorwürfen äußert. Alles wird als „Einzelfall“ abgestempelt, aber verdammtnochmal JEDER FUCKING „EINZELFALL“ IST EINER ZUVIEL!!
    Ich wünsche dir und auch anderen Betroffenen, die das hier vielleicht lesen ganz viel Kraft, das alles zu verarbeiten. Lass dich nicht von trolligen Kommentaren nerven, das sind sie nicht wert.
    Liebe Grüße,
    Janne.

    1. Auch dir Janne, ein großes Danke! Und du hast natürlich Recht. Meine Eltern sind wirklich wunderbare Menschen. Auch wenn ich erst später mit ihnen reden konnte. Das lag aber an mir selbst und nicht an den Eltern ;)

      Und ja, mein größtes Glück und mein größter Spaß sind meine Frau und die beiden Knirpse, wobei die echt ziemlich schnell wachsen ;) Deshalb bin ich auch froh, dass ich das Thema für mich verarbeitet habe und nun das Leben geniessen kann, was nicht heisst, dass so ein Thema zur Sprache kommen muss. Wahrscheinlich kommt es genau jetzt zur Sprache, weil ich all das nun habe, was mich glücklich macht und ich das alles aus einer anderen Perspektive schreiben kann.

      Danke.

      1. Ich hab so viele Leute an so ner Scheiße zerbrechen sehen, ich freu mich gerade so ungemein für dich darüber, dass du jetzt so ein gutes Leben hast, das die Spaß macht!
        Dafür gibts sogar n Herzchen <3
        :)

    1. Hi,
      zu der Frage nach den Zahlen:
      eine halbfertige Studie zu veröffentlichen, ist wissenschaftlich unseriös. Deshalb kann man das, was der Pfeiffer nicht beendet hat, auch nicht veröffentlichen. Stattdessen gibt es aber eine Studie der Uni Essen, die belegt, dass kath. Priester nicht häfiger als der Bevölkerungsdurchschnitt pädophil veranlagt sind:

      http://aktuell.evangelisch.de/artikel/76501/wissenschaftler-leygraf-haelt-zensurvorwurf-gegen-kirche-fuer-ueberzogen?destination=node/76501

      Pfeiffer wollte Einsicht in alle Personalakten, was nach deutschem Recht stark durch den Datenschutz eingeschränkt ist. Einige Priester wollten diesen Einblick von aussen nicht und beriefen sich auf den Datenschutz. Dies wiederum bezeichnete Pfeiffer als Zensur seitens der Kirche und das führte dann zum Bruch…

      Ich finde es schade, dass – so wichtig die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Kirche auch ist – in der Öffentlichkeit pauschalisierende Urteile gefällt werden, sobald irgendwo irgendetwas in diesem Zusammenhang publik wird. Das hilft niemandem weiter.

      Dir wünsche ich jedenfalls weiter alles Gute.

      1. Borna, ich hoffe du weisst, dass ich keine pauschale Urteile fälle. Deswegen habe ich das auch im Text unter P.P.P.P.P.S gepackt. Es ist weder die gesamte Kirche, noch der gesamte Sportverein, noch andere gesamte Gemeinschaften. In diesen Gemeinschaften bewegen sich aber Menschen, die diese Veranlagung haben und ausleben. Tja, zu dem Fall mit der Studie kann ich nicht viel sagen, da müsste ich mich erst noch reinlesen. Natürlich ist es eine Frage des Datenschutzes und man muss überlegen, ob es sinnvoll ist, alle unter Generalverdacht zu stellen. Dem steht entgegen, wie man eine komplette Studie mit anderen Mitteln abschliessen könnte? Natürlich könnte man von den bekannten Fällen die Verbindungen zu nahestehenden Personen erforschen, etc. Das würde aber alles nur an der Oberfläche kratzen, oder?

        Danke auf jeden Fall, dass du die Links hier postest, denn wie hoffentlich klar wird, wollte ich lediglich meine eigene Geschichte hier festhalten, ohne pauschal alle in den Topf „Verbrecher“ oder „Schweine“ zu werfen. So einfach ist das Leben nicht. Zum Glück.

        1. Hey,

          ich hatte mir das gründlich überlegt mit meinem Kommentar und auch ich hatte ihn mehrmals überarbeitet und wieder gelöscht etc.
          Mir ist bewusst, dass das ein grosser, mutiger Schritt ist, den Du gehst und der von innerer Stärke zeugt und ich habe versucht (k.A. ob mir das gelungen ist), meine Anmerkungen zum „was hat das jetzt mit der Kirche zu tun“-Teil möglichst respektvoll zu formulieren.

          Ich stelle auch Deinen Artikel nicht in Frage, sondern sehe die Veröffentlichung hier als Aufforderung, hier oder da was anzumerken. Die Aufarbeitung dieses und anderer Fälle ist eine Aufgabe, an der sich alle beteiligen müssen und ohne den ersten, mutigen Schritt an die Öffentlichkeit geht das nicht. Danke nochmals hierfür. Die weiteren Schritte sind dann von allen zu erbringen, das geht jeden etwas an. Ich hoffe, mein Kommentar hat in diesem Sinne irgendwie beigetragen.

          1. Ich glaube, da liegt ein kommunikatives Missverständnis vor ;) That´s the internet. Ich sehe das ganz genauso, wie du es schreibst:

            „…, sondern sehe die Veröffentlichung hier als Aufforderung, hier oder da was anzumerken.“

            Deswegen habe ich mich auch für die Links usw. bedankt. Denn ich lese mit Sicherheit nicht nur in die eine Richtung, sondern in verschiedene. Zumindest versuche ich das. Deshalb sind mir deine Links hier sehr wichtig. Pauschalisieren ist doof. Dennoch glaube ich nicht zwingend daran, dass es sich nur um „Einzelfälle“ handelt. Aber ich würde mich liebend gerne vom Gegenteil überzeugen lassen. Mir ist es übrigens völlig egal, wo ein Missbrauch passiert, es ist einfach ein Übel der Gesellschaft, mit dem man sich auseinanderzusetzen hat. Daher oben im Kommentar auch die Auflistung Vereine, andere Gemeinschaften, etc.

            Wenn ein Missbrauch stattfindet fragt der/die Betroffene nicht zuerst nach einem Ort, sondern es geht um das Ausnutzen vermeintlicher Vertrauensverhältnisse, die in einer Kirche, in einem Verein, etc. eben vorhanden sein sollten.

  5. Hallo Floyd,
    vielen Dank für Deine Geschichte und Deinem Mut, sie uns mitzuteilen! Eine weiteres Mosaiksteinchen zu dem ich in diesem „intimen“ Rahmen noch eines hinzufügen möchte:

    Ein Junge wächst in den 60ern in einer wirklich erzkatholischen aber äußerst liebevollen Familie auf, komplett mit Fegefeuer, Teufel und blutendem Herz Christi über dem Kinderbett. Natürlich wird der Junge für viele Jahre Ministrant und erlebt bis auf einen jungen Priester, der auf einer Ministranten-Freizeit verstörend dreckige Witze erzählt, die Kirche stets als behütende, große Gemeinschaft. Der Pfarrer ist ein Kerl von Mann, der seine Gemeinde als Hirte gut im Griff hat. Er ist auch gern gesehener Gast in der Familie des Jungen. An keiner Stelle erlebt der Junge irgendwelche Übergriffe, wird erwachsen, heiratet und erlebt das Leben als katholische Schiene die wohl weiter geht bis zum sanften Ableben. Dann zerbricht die Ehe des jungen Mannes, sie zerrinnt einfach und ihm wird sehr schmerzhaft klar, dass das Leben mehr ist als ein paar wohlfeile Worte und er keine Möglichkeit hat, diese Beziehung weiter zu führen. In seinem Gaube findet er keine einzige hilfreiche Antwort auf die Situation.
    Er lernt eine junge evangelische Frau kennen, was für die Familie des jungen Mannes kurzzeitig ein Problem darstellt. Dennoch heiraten beide, bekommen Kinder und sind seit über 20 Jahren glücklich.
    Die Schwester des jungen Manne ist übrigens lesbisch verheiratet, ebenfalls seit vielen Jahren glücklich. Bei einer Kirchenfeier treffen alle den alten Pfarrer der Kindheit wieder, der zwischenzeitlich zum Monsignore aufgestiegen ist. Im Gottesdienst predigt dieser zunächst wie gewohnt Hölle und Verdammnis, was der nunmehr gereiften Gemeinde nicht nur einmal ein Grinsen ins Gesicht treibt. Tatsächlich ist er ein wirklich mitreißender Prediger. Doch dann wird er konkret und beginnt übelst sich über Homosexualität auszulassen, wobei er direkt die Schwester des Mannes und deren Frau anspricht. Beide sind vom Donner gerührt, insbesondere als die Schwester in jungen Jahren selbst sehr engagiert in der Gemeine war. Die beiden halten es nicht mehr aus, stehen auf und verlassen den Gottesdienst. Der junge Mann will ebenfalls gehen, aber seine evangelische Frau hält ihn zurück. Leider die falsche Entscheidung. Im weiteren Verlauf bekommen in einer brillianten Rede auch die „Lutheraner“ ihr Fett weg.
    Auf einer anschließenden Feier treffen der junge Mann und der alte Pfarrer aufeinander. Der Pfarrer ist charmant und wortgewand – mit einer seltsam affektierten, deutlich femininen Attitüde, die dem jungen Mann zuvor nie aufgefallen war.
    Bis heute erklärt der nun nicht mehr junge Mann seinen Kindern scherzhaft, dass sie evangelisch seien und er verdammt, wegen seiner Wiederverheiratung. Er geht bisweilen immer noch in die Kirche, sehr gern auch evangelisch. Es ist ein immer seltsames Gefühl von nach-Hause-kommen aber hier (katholisch) nicht mehr gewollt sein.
    In den letzten Jahren erfährt der Mann immer mehr über die Ab- und Hintergründe seiner Kirche, die strukturell sind und auch nicht von Beispielen aufrichtig gelebtem Glauben und Seelsorge relativiert werden können. Vor kurzem ist der junge Mann aus seiner Kirche ausgetreten. Es ist der richtige Schritt auch wenn er noch lange weh tun wird. Wahrscheinlich ist es das was man Erwachsen werden nennt. Und manchmal dauert es über 50 Jahre.

    1. Danke auch die für deinen tollen Kommentar. Das Leben hält eben wahnsinnig viele Überraschungen, Momente der Trauer, etc. für jeden einzelnen bereit. Und keiner ist vor irgendwas sicher. Ich finde es super, dass du uns diesen Einblick gewährst, denn es ist eben ein Teil des Gesamten. Wenn Frauen lesbisch leben, dann sollen sie dies glücklich tun dürfen. Wenn Männer das wollen, ebenso. Wenn Heteros zusammen leben wollen, dann sollen sie das glücklich tun dürfen, egal welcher Konfession sie angehören, oder wie groß der Altersunterschied, oder was auch immer, sein mag.

      Wir alle sind nur begrenzte Zeit auf diesem Planeten und wir sollten begreifen, dass es nicht sinnvoll ist, uns gegenseitig in unseren Rechten zu beschneiden. Der Spaß hört dann auf, wenn ich durch mein Verhalten andere in ihrer Freiheit beschneide. Im Falle des Pfarrers ist das bei deiner Geschichte der Fall gewesen. Was mich früher immer wunderte: die Predigten von Nächstenliebe, etc. waren zwar schon toll, aber in der Realität konnte es passieren, dass der gleiche Pfarrer in seiner nächsten Predigt davon sprach, wie schamlos Jugendliche heutzutage (1986) leben. Sex, Alkohol, Drogen und so weiter. Dann sitzt man eben da und hinterfragt, ob es der richtige Weg ist, mit der Nächstenliebe der Vorwoche im Kopf, so mit jungen Kirchgängern umzugehen.

      Die Sache mit dem Sündengedanken z.B. hat ja Patricia sehr schön festgehalten, das habe ich oben im Artikel bereits verlinkt.

      Danke, dass du so offene Worte gefunden hast und ich weiss, dass meine Antwort etwas konfus ist, aber: solange du dein Glück gefunden hast und anderen Menschen nicht absichtlich schadest, solange bist du eben ein toller Mensch! Das mit den 50 Jahren zum Erwachsen werden: da habe ich die Befürchtung, dass dies bis zum Tod nicht wirklich aufhört ;) Vielleicht ruht man sich irgendwann länger aus und die Abstände der Veränderungen werden größer, aber sie hören niemals auf.

    2. Solchen Monsignori ist nicht mehr zu helfen. Sie leben in der Überich-Welt ihrer Ideologie (Religion kann man da nicht mehr sagen, weil Religion immer beweglich ist zum Neuanfang, zur Umkehr; das war schließlich die originäre Jesus-Botschaft vor bald 2.000 Jahren). Würde man diese Herrschaften zum Nachdenken bringen, würde ihr Korsett reißen, und sie müssten zerfließen. In solchem Kollaps, der zur Vita aller Menschen gehört, deutlcih oder blass, hart oder beglückend, will die Hypothese von der Gnade Gottes Halt bieten. Das ist Glaube im eigentlichen Sinn, nicht das Zitieren, Postulieren und Umsetzen von Katechismusweisheiten. Dieses Zerfließen, bevor man zu sich selbst in die eigene Mitte finden kann, wo nach mystischer Erkenntnis Gott auf jeden wartet, ist das „Hinabsteigen zu den Toten“ (ein uraltes ägyptisches Bild, das ins Glaubensbekenntnis gefunden hat: Der täglich Sonnenlauf mit untergehen und wieder aufgehen) und danach wiedergeboren zu werden; im Grunde eine traumhaft schöne Vorstellung.

      Das für uns Belämmernde ist doch, dass wir von denen, die unser Suchen und Fragen als „Seelsorger“ begleiten und vielleicht sogar weisen sollten, wo es lang gehen könnte, dass viele von diesen Typen uns nicht ernst nehmen und manche uns gebrauchen bis zum Missbrauch oder uns abweisen – so wie deine Schwester. Und weil wir uns so viel erhofft haben von der „Mutter Kirche“ (eigentlich ein schönes Bild) fällt es so schwer, und tut es auch weh, sich von ihr abzuwenden. Weil wir Vertrauen investiert hatten als Kinder. Die Selbstachtung, vor allem eine mühselig wiedergewonnene oder gar eine, die sich erst nach solchen Irrfahrten öffnet, gebietet es wohl nicht anders. Diese Kirche und diese Heils-Fuzzis werden untergehen.

      Leider werde ich nicht mehr erleben, was dann kommt. Übrig bleibt mir, nach Jahrzehnten Irrfahrt, suchen, auflaufen, schier ersaufen und manchmal Land sehen, übrig bleibt mir, im kleinen Umfeld für meine Lieben zuhause und in der Nachbarschaft in den paar verbleibenden Jahren so gut es geht „da“ zu sein. Ich glaube – und das „glaube“ meine ich nicht nur im Sinne von „I think“, sondern in seiner ganzen buchstäblichen Tragweite – ich glaube, dass man darin Gott, so es ihn gibt, was wir nie erfassen können, am nächsten ist. Schließlich spricht er so von sich selbst: Ich bin der Ichbinda (Jachwäh, hebr.). Und dazu brauchen wir keine Monsignori oder Dekane, Vikärchen oder Hallelujaschwestern. Dieses Feld tut sich täglich auf. Im Lächeln, Schmusen, Reden, im Sex, im Schimpfen und Verzeihen, im Helfen und Begleiten:

      Mann, ist das eine anregende Geschichte!

      1. Reinmar, danke. Toll und v.a. eines hat mir besonders gut gefallen: Gott in der Nachbarschaft etc. erfahren, in seinem eigenen kleinen Umfeld. Mein Weltbild ist momentan so, dass in allem was mir begegnet „Gott“ steckt. Gott benutze ich nur, weil mir noch kein anderes Wort dafür eingefallen ist. Zauber würde vielleicht ganz gut passen. Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, dann steckt „Gott“ in einer Person. Wenn ich einen Baum sehe, dann steckt da „Gott“ drin. Mit diesem Wissen ist einem auch bewußt, dass „Gott“ in einem selbst wohnt und man so eigentlich nur Positives verbreiten sollte. Ok, das gelingt nicht immer, aber wer ist schon perfekt.

        1. Mehr bedarf es nicht. Und so stehst du mit deinen Worten neben dem berühmten Mann aus Nazareth, in dessen Namen so viel Schindluder getrieben wird und Verbrechen begangen worden sind. Das Wahre ist letztlich immer sehr einfach, wenn auch schwer genug.

  6. Die Kirche sollte abgeschafft und enteignet werden, gehört angeprangert wo es überhaupt nur möglich ist.
    Warum diese Scham auf einmal…?

    1. Von welcher Scham sprichst du? Ich halte es mit dem Leben so: was für mich nichts ist, kann für andere genau perfekt sein, insofern halte ich blindes Einschlagen für nicht sehr sinnvoll. Ich kann mir denken worauf du hinaus möchtest, aber so wird das glaube ich nichts. Eine Abschaffung der Kirche löst doch die Probleme nicht, oder doch?

      1. Weil es kaum eine andere Institution gibt, die mehr Leid auf der welt verbreitet hat, als die katholische Kirche.
        Sie ist ein Großkonzern, der mit allen ihren Einrichtungen zu weit über 90% von Steuergeldern finanziert wird, und so ihre verheerenden Dogmen auch noch weiter ausbreiten darf.
        Also, warum nicht Stellung beziehen, Orte und Namen nennen…

  7. Eine Ergänzung, soeben aus stern.de gepickt:

    http://www.stern.de/panorama/katholischer-orden-brutale-nonnen-unter-barmherzigen-schwestern-1960375.html#utm_source=sternde&utm_medium=zhp&utm_campaign=wm1

    Nach meiner Erfahrung hat die Problematik eine pathologische Dimension. Ich sage das ohne Bewertung, nur an Einsicht und Verständnis interessiert.

    Missbrauch ist zwar einerseits ein Vorgang zwischen Opfer und Täter, eine mehr oder minder konkrete Tat, so wie es das StGB sieht. Zum Missbrauch gehört aber nach meinen Erkenntnissen als Motiv beim Täter das Gefühl eines Defizits, des zu kurz gekommen Seins. Worin?

    Eine Person, die sich selbst nicht lieben kann, weil sie meint, von den Eltern (stellvertretend genannt für die Liebespartner in der Kindheit; es gibt weitere: Onkel, Tante, Oma, KiGa-Tante, Lehrer, Pfarrer usw., also alle Figuren, die in der 68er-Zeit pauschal verdächtigt und mit Empörung überzogen worden sind) etwas abverlangt bekommt, das sie nicht oder noch nicht leisten kann, das sie überfordert, meist ein Entsagenmüssen, Verzichten, Vorenthalten von Akzeptanz, Ertragen von Benachteiligung, Mangel an Zuwendung, Vertrauen, eben: Liebe, ob der Eindruck der Person nun stimmt oder nicht, ob er triftig ist oder nur marginal, denn Erleben nimmt darauf keine Rücksicht: diese Person kann sich als Kompensation des erlebten Mangels zum Sadisten entwickeln, der anderen das nimmt oder beschädigt, was ihm selbst abhanden gekommen oder versagt worden ist. Dabei wird die Lust, die man mit anderen Menschen verspürt durch und in Nähe, Berühren, Begehren, Ersehnen, Vereinigen, also allen Stufen von Zuneigung und Liebe, nicht durch Schenken erlebt sondern durch Nehmen. Das ist eine lupenreine Perversion = Verdrehung: Nehmen, als Ausgleich für Mangel, pervertiert bis zum rächendern Ausgleich, bis zur Tötung. Dieses bis zum Zwang sich etablierende ausgleichen Müssen, eine Art Vergeltung, wird nie zu Sättigung führen. Es wird nur für den Moment gestillt und wieder erwachen, so wie körperliches Sehnen und Begehren aufflammt, wie Hunger und Durst. In zynischer Ausprägung wird dieses Auf und Ab zur Dauerhaltung des Sadisten. Und die hat in zwangsweise gebildetenGruppierungen den günstigsten Nährboden: Internat, Gefängnis, Heim, Schule, Verein, Anstalt jeder Art. Solche Anstalten locken „Aufseher“ an, sich in ihnen einzurichten. Sie können latente Aufsehermentalität auswachsen lassen. Merkwürdigerweise wird in solchen Einrichtungen kollektiv „bestraft“, indem man dem Schwächeren das antut, was bei den Tätern unerfüllt oder verdorrt ist bzw. die Täter selbst traumatisiert, also verletzt und beschädigt hat: Genitale und anale Qualen, Erniedrigungen, Schmerzen, Entehrung. Ein teuflischer Kreislauf. In SM-geschäft wird solche Energie abgeführt. Deswegen sind die meines Erachtens nicht zu verurteilen. Ich versuche zu klären, nicht zu rechtfertigen.

    Ich habe oft beobachtet, dass der alltägliche Sadismus, den ich als Kind und Jugendlicher habe hin und wieder ertragen müssen, noch ungeahndet vom Staat, öffentlich in Schule und Kirche, aber auch im familiären Umfeld, von Personen ausging mit solchen Defiziten, die ich meist erst später als solche entdeckt habe. Dies Zeit war ungefähr die von 1948 bis 1965 (ich bin 1944 geboren). Eine lange Psychoanalyse ab 1972, nötig, weil ich buchstäblich nichts mehr zustande brachte und wie gelähmt war gegen Ende meines Zweitstudiums, hat mich dazu förmlich genötigt – und ich hatte Glück, einen Menschen zu finden, der mich sieben Jahre lang begleitet und mir für vieles die Augen geöffnet hat. Übrigens ein Mann, der selber seine Schulzeit im Internat und seine Studienzeit im Kloster verbracht hatte, woraus er sich nicht leicht gelöst hatte und stets wusste um diese janusköpfigen Paradoxien zwischen Lust und Qual, Liebe und Hass, Zuneigung und Zumutung.

    Der obige Link spricht von einer fast hundertjährigen Dauer des Missbrauchs in einer Schweizer Einrichtung, begangen an Hilflosen, begangen von Frustrierten (meine Deutung), die der Unterdrückung ihrer eigenen Lebenswünsche und Sehnsüchte durch Kirche, Ordensregeln, Befehle und Knechtschaft Luft verschafften, indem sie Schwächere missbrauchten und demütigten.

    Oh je, oh je, ein weites Feld, und so viele sind schon hindurch gegangen und wissen nicht, wie ihnen und mit ihnen geschehen ist. Das muss nicht immer der klassische, sexuelle oder gewalttätige Missbrauch sein, das wabert auch im alltäglich Umgang zwischen den Menschen permanent. Insbesondere in Familien, wenn die Rollenwechsel vom Kind zum Vater oder Mutter zur Unzeit gekommen und noch nicht geschafft worden ist. Im Grunde überall dort, wo einstmals Betroffene im älter Werden die Macht der Akteure bekommen haben.

  8. Hej Floyd,

    drei Mal habe ich jetzt Deinen Artikel gelesen, zwei Mal habe ich angefangen zu schreiben und zwei Mal habe ich den Text wieder verworfen. Weil ich eigentlich nichts zum Thema sagen kann und weil mir das Geschriebene nicht passend genug erschien. Was soll man auch zu etwas sagen, wo einem gemeinhin die Worte fehlen?

    Aber ich muss Dir meinen größten Respekt für Deinen Mut und die Kraft aussprechen, dass und wie Du diese tiefste Verletzung Deiner Seele so öffentlich teilst. Gerade weil der sexuelle Kindesmissbrauch nach wie vor ein Tabuthema ist, bei dem die meisten Menschen verstohlen zur Seite blicken und schweigen, ist es so gut und notwendig, dass Du dich „geoutet“ hast.

    Richtig schlimm finde ich auch, dass der Missbrauch missbraucht wird, wie bspw. bei den blöden Nazis und ihrer „Forderung“ „Tod den Kinderschändern“. Noch viel perfieder, weil nicht so offensichtlich, empfinde ich die Taktik der kirchlichen Institutionen, deren „Aufklärung“ bei den Missbrauchsskandalen vor allem darin besteht zu verschweigen, zu verschleiern, herab zu spielen und zu vergeben. Wer diese Taktik verantwortet, für mich im Zweifel der Papst, macht sich meinem Empfinden nach der Mittäterschaft schuldig.

    Aber weil Du den Mut hattest, Deine Geschichte in die Öffentlichkeit zu stellen, gehörst Du zu denen, die die Welt ein Stückchen besser machen. Die Kirche wird früher oder später aufarbeiten müssen, und die Nazis werden Historie sein.

    Vielleicht eines noch zu dem, was Deine Frau kritisiert hat. Nach journalistischen Maßstäben betrachtet, hat sie vollkommen recht. Auch zwischenmenschlich und kommunikativ gesehen, tun die Namen nichts zur Sache.

    Dennoch; wäre ich an Deiner Stelle gewesen, ich hätte Ross und Reiter genannt, mit Namen und Adresse. Denn was ist das Stellen an den Pranger, gegen den versuchten Mord an einer kindlichen Seele?*

    Dir und Deiner Familie alles Gute.

    Olaf

    *Aber ja, Deine Frau hat recht!

  9. Lieber Floyd,

    ich habe folgende Frage, und ich wende mich an Dich, weil Du direkt Betroffener bist, ich nicht.
    Sollte ich, als Nachfahre einer Betroffenen, das Thema auf den Tisch knallen, oder aus Rücksichtnahme eben unter diesen fallen lassen?

    Die Betroffene ist meine Mutter, hat eine Therapie bereits erfolgreich hinter sich, der Täter, ihr Stiefvater, ist tot, aber ich frage mich, was meine Großmutter wusste.
    Sie (meine Großmutter) ist mittlerweile sehr alt.
    Auch hier herrscht ein Mantel des Schweigens, aber ich weiß nicht, ob ich ihn durchbrechen soll, oder ob mich das nur zu einem selbstgerechten Assi machen würde.

    Es wurmt mich, aber ich will keine Wunden aufreißen.
    Lass ich die Sache auf sich beruhen, oder konfrontiere ich meine Großmutter?
    Frag ich meine Mutter, ob ich meine Großmutter konfrontieren soll?

    Was denkst Du?

    Liebe Grüße

    P.S. falls keine Antwort kommt, gehe ich davon aus, dass der Eintrag mittlerweile zu alt ist, und
    Du diese Nachricht gar nicht bekommen hast.

    1. Hallo erstmal. Boah, du stellst mir wirklich eine schwierige Frage. Deshalb kann ich dir auch lediglich meine Sicht schildern. Dies solltest du bedenken, wenn du diesen Kommentar liest und auch nach dem Lesen dir vor Augen führen, dass es nur meine Meinung ist. Da du mich aber fragst, möchte ich gerne so gut es mir möglich ist, antworten.

      Es geht nicht darum, ein Thema auf den Tisch zu knallen. Das hört sich nach Vergeltung an, was nicht dein Antrieb sein sollte. Mir ist bewusst, dass das Auseinanderhalten von Beweggründen schwierig ist, aber es ist nötig. Wäre ich du, würde ich mich fragen, was mein eigentlicher Antrieb ist, oder warum ich den Wunsch verspüre, die Großmutter mit dem Thema zu konfrontieren. Ich nenne dir mal ein paar Möglichkeiten, die ich nur vermuten kann: du möchtest, dass sie endlich die „Wahrheit“ sagt. Du möchtest durch das Gespräch dein Verhältnis und das deiner Mutter zu deiner Oma verbessern. Du musstest selbst durch den Mißbrauch deiner Mutter leiden, sei es durch zu wenig Liebe, zu wenig Nähe, was auch immer. Das ist alles nur ins Blaue hinein geraten, da ich dich nicht kenne. Ich möchte nur aufzeigen, dass es unterschiedliche Beweggründe gibt, warum du überhaupt ein klärendes Gespräch möchtest.

      Zuerst würde ich deine Mutter in deine Gedanken einweihen. Ich hoffe ihr habt ein tolles Verhältnis zueinander. Wie steht sie dazu? Würde sie auch gerne Aufklärung haben? Wenn sie ein Gespräch möchte, was ist ihr Antrieb? Oft, und das ist sehr einfach, geht es Missbrauchten so, dass sie sich ein einfaches in den Arm nehmen wünschen. Ein „Es tut mir leid“, das aus einem offenen Herzen kommt und in ein offenes Herz geht, löst ganz viele Blockaden. Das setzt aber natürlich voraus, dass noch ein einigermassen intaktes Verhältnis vorhanden ist.

      Das einzige, was ich aus deinen Zeilen herauslese ist, dass du hin und hergerissen bist. Verständlich. Begreife die Situation als Chance und denke nicht darüber nach, ob du durch ein offenes Ansprechen als „selbsgerechter Assi“ gesehen werden könntest. Was könnte passieren? Ich weiss es nicht, einerseits besteht die Chance, dass Großmutter unter Tränen erzählt, dass sie etwas wusste. Vielleicht hatte der Stiefvater deine Großmutter ebenfalls unter Kontrolle und sie war zu schwach um sich zu wehren. Leider ist es so, dass ich in einem trüben Becken fische. Ich weiss es einfach nicht.

      Was ich dir anbieten kann ist, dass du mir gerne jederzeit mailen kannst. Anonym oder wie du magst. Meine E-Mail Adresse findest du im Impressum. Normalerweise hätte ich dir gleich per Mail geantwortet, aber ich möchte dich nicht ohne dein Einverständnis einfach anmailen. Wie gesagt, wenn du einfach nur eine Einschätzung möchtest, dann stehe ich dir gerne zur Seite. Um aber deine wirklichen Beweggründe zu verstehen und wirklich gut beraten zu werden, gibt es viele Anlaufstellen, die dir weiterhelfen können, z.B. wildwasser.de.

      1. Vielen Dank für Deine Antwort!
        Ich finde sie klug und hilfreich.
        Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Großmutter das loswerden muss, um in
        Ruhe sterben zu können. Von unserer Seite der Familie wird sie gemieden.
        Vielleicht ist das ungerecht.
        Ich werde versuchen, mit meiner Mutter darüber zu reden.

        Danke

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