Facebook und der Tod auf Raten

Floyd 7 Kommentare Gedankenfetzen, WWW

Seit den Facebook Neuerungen letzte Woche gibt es einige User, die Facebook nun den Rücken kehren, oder dies werden? Andere warnen vor Facebook. Claudia Sommer wundert sich nur noch. Blogeinträge zum Thema „Lass dir deine Daten von Facebook schicken“ geistern durchs Netz.

facepalm where face meets palm

Im Westen nichts Neues?

Mehrheitlich wird sich darüber aufgeregt, ob die „Timeline“, also dein Leben von der Geburt bis zum Tod, das Problem darstellt oder das passive Teilen. Oder beides? Bei ersterem würde ich sagen: die Menschen fangen an zu verstehen, dass ihr wichtiges Netzleben irgendwann ein Ende haben wird. Man wird also „mitten im Datensaft“ stehend mit seinem Ableben konfrontiert. Unterschwellig zumindest. Man sieht die Jahre, die einem noch bleiben und fragt sich, ob Facebook die restliche Lebenszeit dokumentieren darf oder eben nicht. Absurd, oder? Dabei stellt Facebook doch nur das dar, was man sowieso schon von sich preisgegeben hat. Grafisch eben. Das passive Teilen ist ein weiterer Aspekt. Doch sollte man unterscheiden? Kurz bevor mein Profil gesperrt wurde fingen andere User an einen Wohnort zu meinem Profil hinzuzufügen. Also eigentlich haben sie eine Liste erstellt und dort den Wohnort hinzugefügt. Ich erhielt dann sinngemäß folgende Benachrichtigung:

User XY hat Stuttgart als ihren Wohnort hinzugefügt. Wollen Sie dies für ihr Profil übernehmen oder nicht?

Wenn wir also von passivem Teilen sprechen passiert dies schon seit geraumer Zeit. Fotos von mir muss ich nicht selbst bei Facebook hochladen, das können andere machen und mich dann auf dem Foto markieren. Nun mag der geneigte Internetbesucher anmerken, dass man dies ja alles rückgängig machen kann. Stimmt. Aber die Daten über diese Informationen bleiben bei Facebook. Ein demarkiertes Foto bedeutet eben nicht, dass diese Information von Facebooks Servern gelöscht wird. Ebenso der Wohnort. Ohne den eigenen Finger krumm zu tippen erfährt Facebook mehr und mehr über mich. Für mich zählen diese beiden Aspekte ebenso zum passiven Teilen. Der Unterschied? Facebook kündigte diese Möglichkeiten nicht im Rahmen der f8 an, sondern stellte sie „einfach“ zur Verfügung.

Poweruser und „Normaluser“

Wenn wir von Facebook sprechen, dann müssen wir uns zuerst eines eingestehen: kaum jemand findet das datenschutzrechtliche Verhalten von Facebook ok. Bisher schien es aber so, dass der Mehrwert für die User überwog. Man nahm eben einiges in Kauf für diese „digitale Freiheit“. Der Ansatz von Facebook ist nicht falsch. Menschen wollen sich austauschen. Menschen möchten sich verbinden. Ja natürlich finden wir es toll, wenn wir Inhalte aus dem Netz durch „Likes“ für Freunde und Interessierte leicht zugänglich machen können. Für einige sind die Anzahl der „Likes“ unter Artikeln ein Indikator für relevanten Content. Nicht wenige Autoren sehen in der Anzahl der Likes die Selbstbestätigung ihrer Arbeit. Doch sind Menschen, die täglich in und mit diesen Medien arbeiten repräsentativ? Wenn man sich den „Normal-User“ ansieht denke ich: Nein! Facebooks „Timeline“ ist ein Paradebeispiel, an dem sich die Geister scheiden könnten. Wie viele User haben Fotos ihrer Kinder bei Facebook bereit gestellt? Im Hinterkopf: ist doch eine tolle Möglichkeit, so können meine Freunde und Verwandten alle mein tolles Kind begutachten. Facebooks Gesichtserkennung wird ihre Aufgabe zukünftig sicherlich gut erledigen. Der Grundstein, die Geburt, ist für diese Generation also bereits gelegt. Nicht von den Kindern selbst, sondern von ihren Eltern!!! Selbstbestimmung sieht anders aus, oder? Wenn sich Facebook schon das Wort „Face“ schützen lässt, dann werden sie bestimmt auch ein Anrecht auf dein Gesicht haben.

Die persönliche Schmerzgrenze und das Vertrauen

Momentan sieht es so aus, als ob ein erster Teil User, der der sich täglich durch die Arbeit mit dem Thema Social Media, Internet, etc. auseinandersetzt begreift, was auf uns zukommt. Die Schmerzgrenze ist erreicht. Facebook wird aber nicht gehen. Es wird ein Tod auf Raten. Mit jedem neuen Update das Facebook ankündigen wird werden immer mehr Menschen verstehen, was wir uns selbst mit Facebook antun. Wir werden merken wie Facebook das restliche Vertrauen seiner User weiterhin Stück für Stück zerstört. Natürlich werden die mentalen Mechanismen noch einige Zeit andauern. Wer einen großen Freundeskreis hat, der wird Facebook nicht so schnell den Rücken kehren. Die Angst wichtige Informationen aus dem Freundeskreis oder aus der Medienlandschaft verpassen zu können manifestiert sich in den Köpfen der User. Dies ist das wahre Übel an Facebook.

Der Ruf nach Medienkompetenz

Um ehrlich zu sein war ich erschrocken, wie leichtfertig Jugendliche mit ihren Daten umgehen. Natürlich wachsen sie genau in dieses „Daten sind die neue Währung“-System hinein. Für Jugendliche stellt sich die Frage nach Datenschutz nicht in diesem Ausmaß. Meine Freunde sind auf Facebook ergo bin ich es auch. Vor kurzem habe ich mich längere Zeit mit meinem Neffen und meiner Nichte (beide 15 Jahre) über Facebook unterhalten. Ich war ja schon dankbar, dass sie mich nicht gleich vor die Tür geschickt haben, ihren verdatterten Onkel. Im Gegenteil, wir haben uns gemeinsam durch die Facebook Einstellungen gekämpft und festgestellt wie kompliziert all diese Einstellungen sind. Und wie sie teilweise verschwinden, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Das ist der Plan: nur nicht dauerhaft verstehen, wie Facebook funktioniert. Danach waren beide relativ dankbar, dass sie mal einen Einblick in das Thema „Einstellungen bei Facebook“ bekommen haben.

Anschliessend unterhielten wir uns über die Schule. Jeder ist an einer unterschiedlichen Schule und mich interessierte natürlich, was sie dort in Bezug auf Computer, Internet, etc. lernen. Leute, da dreht sich bei mir alles um. Wie oft habe ich inzwischen gelesen, dass das eben die neue Generation ist. Die machen sich keine Gedanken mehr über Privatsphäre, Datenschutz und solche Dinge. Gequirlter Schwachsinn sage ich dazu. Um zu entscheiden ob man Privatsphäre, Datenschutz uvm. möchte oder nicht muss zuerst eine Aufklärung über eben diese stattfinden. Eltern sind meist komplett überfordert, was ich gut verstehen kann. Selbst medienkompetente Menschen wissen nicht immer sofort über alles bescheid, sondern beschäftigen sich tagtäglich damit. Wie sollen das Eltern leisten können? Das wäre aus meiner Sicht Aufgabe der Schule, diese Kompetenzen zu vermitteln. Da sagen mir sowohl Neffe als auch Nichte: wir haben IT in der Schule.

Frage meinserseits: Hä? Was ist denn IT für ein Fach? Was macht ihr denn da?“

Antwort: Wir lernen, wie man Excel Tabellen ausfüllt und solche Dinge.

Frage meinerseits: Das will ich gar nicht schlecht reden. Excel kann bestimmt ganz wichtig sein, aber lernt ihr auch was über Internet, Datenschutz, Öffentlichkeit, z.B. Facebook?

Antwort: Nein. Wir können während dem Unterricht chatten. Wir schicken uns die Hausaufgaben per E-Mail zu und drucken sie aus. Ich (Nichte) habe einen Lehrer, der auf Facebook eine Gruppe für unsere Klasse gegründet hat und dort immer Hilfestellungen anbietet. Ausserdem verrät er uns da, wann wir eine Ex schreiben oder abgefragt werden.

Frage meinerseits: Na prima und wie alt ist dieser Lehrer?

Antwort: 24.

Sorry, aber solange an Schulen weiterhin mangelnde Medienkompetenz vorherrscht, so lange kann diese Generation nicht entscheiden, ob sie Datenschutz nun gut oder überflüssig findet. Für eine Entscheidung bräuchte diese Generation eine Wahlmöglichkeit, die sie momentan nicht besitzt. Das einfachste ist aber weiterhin zu behaupten, dass die Jugendlichen sich einen Dreck um Datenschutz scheren. Dann kann nämlich alles so bleiben wie es ist.

Fazit: Facebook ade

Nachdem mein Profil rechtzeitig vor den Neuerungen gesperrt wurde gibt es für mich momentan keinerlei Bedürfnis ein neues Profil zu eröffnen. Nein, ich werde Facebook zukünftig meiden. Ja, ich bin Mister „Größenwahnsinn Sucker-Börg“ dankbar für die Sperrung. Freunde, die ich bei Facebook hatte habe ich in anderen Netzwerken ebenfalls. Und einmal mehr zeigt sich, dass mir mein inneres Gefühl immer den vorläufig richtigen Weg zeigt.

Bildnachweis
Oben zu sehendes Bild ist eine Collage aus folgenden Fotos:
Alex E. Proimos, CC BY 2.0
Robert Scoble, CC BY 2.0

7 Meinungen zu “Facebook und der Tod auf Raten

  1. Hallo Floyd,

    aus meiner ganz persönlichen Sicht stellt sich das »neue« Facebook noch einmal anders als abschreckend dar: nämlich, weil es (schon lange) nichts mehr für den User tut. Alles, was es tut, unternimmt es ausschließlich in seinem Sinn.

    Ich hab mit dem Auftauchen der ersten Tweets über die F8 und die kommende neue Timeline nicht verstanden, was es da zu bejubeln gibt. Stationen des eigenen Lebens werden als solche mit etwas großformatigeren Bildern dargestellt. Sah von weitem aus wie MySpace (wenn das mal kein Omen ist…). – Die Frage, die sich mir sofort aufdrängte (Privatsphäre und Datenschutz mal völlig außer acht gelassen): will ich das? Will ich mir diese Arbeit (das erweiterte Profil namens Timeline auszufüllen) wirklich machen, wo doch außer Facebook niemand etwas davon hat?

    Und die klare Antwort ist Nein! Ich bin doch zufrieden mit meiner halbherzig ausgefüllten Selbstdarstellung. Es ist mir völlig egal, ob Facebook wissen möchte, welche Sprachen ich spreche; ob LinkedIn sagt, mein Profil sei nur zu 85% ausgefüllt; und (lustigerweise – Du sprichst es im Text ja an) ob jemand mich als sein/ihr Kollege in der Agentur XYZ (von der ich noch nie was gehört hab) darstellt: soll Facebook sich doch zusammenreimen, was es will. Ich habe keine Lust, diese Arbeit zu verrichten, in der ich nicht einen Vorteil oder Sinn für mich sehe.

    Und dann diese vielen neuen redundanten Informationen. Es nervt bisher schon, andauernd zu lesen, wer mit wem befreundet ist, wer was likt usw. – Da fand ich die kürzlich vorgestellten Feintuning-Möglichkeiten richtig klasse und hab auch regen Gebrauch davon gemacht; meine Timeline gereinigt sozusagen. – Und nun soll das alles in noch größerem Umfang wiederkommen? Wer was hört, sieht oder liest? Man übertrage das mal ins normale Leben: 150 Freunde und jeder kommt alle drei Minuten und sagt Dir was er gerade für einen Song hört … Also, ich würde auf eine einsame Insel im Südpazifik auswandern …

    Meine FB-Nutzung ist seit G+ ohnehin von ca. 1 Stunde täglich auf zwei 30 Minuten wöchentlich gesunken. Aber da ist noch Luft nach unten.

    1. Klaus, du sprichst mir aus der Seele. Du bist ja ein grandioses Beispiel. Ich glaube wir haben uns über Twitter digital „kennengelernt“. Wir waren auch auf Facebook verbungen, auf G+ sind wir es auch. Ob ich da nun Facebook weglasse oder nicht, wen interessiert es?

      Facebook tut nichts mehr für uns. Das stimmt. Das „neue“ Facebook konnte ich nicht mehr testen, da wie gesagt mein Profil vorher gesperrt wurde. Aber was du schreibst hört sich nicht berauschen an. Bei Timeline musste ich auch kurz zucken. Da spricht der Sucker-Börg vom gesamten Leben (Geburt bis Tod) und alle jubeln wie die Bekloppten. Sorry, ich glaube da denkt keiner mehr großartig nach. Oder aber ich bin zu alt für den „heissen Scheiß“;) Interessant auch der Ansatz, dass User mal wieder unter „leichten“ Zwang gesetzt werden mit dieser Timeline. Klar, niemand muss seine Daten ergänzen, sieht aber besser aus, wenn alles ausgefüllt ist, oder? ;) Na denn, mögen die Menschen alle ihre Haustiere und Lieblingsessen der letzten Jahrzehnte nachtragen. Ich orientiere mich nach Inhalten und nicht nach Lebensläufen;)

      Was andere über mich bei Facebook angeben fand ich nicht gerade berauschend. Das war nicht inhaltlich negativ, aber eben Informationen, wie z.B. Fotos von mir, die ich bewusst nicht online gestellt habe werden durch andere hochgeladen. Mit dem Wohnort ähnlich. Nicht weil ich es verschleiern möchte, aber wer nur etwas Interesse an meinen Inhalten hat, der findet über Google zack zack Fotos und Fakeblog. Ein Klick aufs Impressum und man hat alles.

      Momentan habe ich die leise Hoffnung, dass die frühen Facebook User so langsam abwandern. Für die Masse bleibt aber Facebook denke ich die Nummer 1.

      Dass man jetzt anscheinend minütlich angezeigt bekommt, welcher Freund welche Musik hört, wer was liest, etc. das ist nur noch Information-Overflow. Vor allem vertraue ich darauf, dass Menschen denen ich folge, mit denen ich befreundet bin interessante Musik/Links von sich aus teilen. Was ist der Mehrwert, wenn jemand aus dem Freundeskreis „Sandmännchen“ hört oder was weiss ich was. Da vertraue ich auf die Informationsströme, die ich auch woanders bekomme. RSS Feeds, Twitter, Google+, Mail, etc.

      Den Oberhammer finde ich aber, dass sich Menschen jetzt Daten auf CD zuschicken lassen, um Facebook angeblich „etwas unter Druck zu setzen“. Da bleibt mir nur ein müdes Lächeln. Wie viele User hat Facebook nochmal? Wie viele sind es in Deutschland? Der Sucker-Börg würde eher Deutschland aufgeben, ehe er sich irgendeinem Druck beugen würde;) Und ja: Luft nach unten ist immer! ;)

  2. Hallo, Floyd,

    Ein Kommentar zu Deinem Kommentar:

    Bitte niemals -NIEMALS- sagen, dass Du zu alt für irgendeinen Sch….ß bist. Das ist genau das Totschlagargument, mit dem die Lehrer immer um die Ecke kommen, wenn es um das Web 2.0 geht.

    Im Intranet meiner Firma gibt es einen Azubi-Blog, in dem ein Post sich mit der IFA befasst. Vorgestellt wurde ein neues Tablet „für Neueinsteiger (Kinder) und Silverager“. Und die Azubis hatten einen Tag mit „Rent-a-Azubi“, bei dem die Kinderchen (ab 18 Jahren) uns Alten IPhone und IPad erklären wollten. Darüber kann ich mich richtig gut aufregen

    Sollte irgendwann mal der Tag kommen, an dem ich zu alt bin, eine Betriebsanleitung zu lesen und umzusetzen, gebe man mir bitte den Gnadenschuss. Sollte irgendwann der Tag kommen, an dem mein Kind besser im Googlen ist als ich, soll mich der Blitz treffen.

    Man findet mich bei Facebook und auch bei Twitter (ich lese nur – am liebsten Deinen Twitter-Trash), neuerdings bei Google+, wegen unserer Verwandtschaft in USA sind wir auch bei MySpace und Skype, neuerdings sogar bei LinkedIn. Aber eigentlich eher so als Karteileiche. Aber das Bloggen gefällt mir als Frau sehr – Output und nur manchmal hört einer zu, wie im analogen Eheleben.

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